Wölfe in der Nacht
Der gefeierte kubanische Autor Ángel Santiesteban (Jg. 1966) darf, seit er einen regimekritischen Blog zu schreiben begann, nicht mehr auf Kuba veröffentlichen. Seine düsteren Geschichten erzählen von jungen Männern, die in einen Stellvertreterkrieg nach Angola geschickt wurden und einen absurden Tod starben, von der Gewalt in kubanischen Gefängnissen (vom Autor selbst erfahren) und vom täglichen Kampf ums Überleben (durch Tabakdiebstahl, illegales Abschlachten von Rindern oder Prostitution) in einem Land, das durch den Zerfall des sozialistischen Lagers erschüttert ist. Eine Schlüsselgeschichte ist "Die Kammer der Träume", in der der Erzähler verbotene Träume der Menschen sammelt und damit den Sinn des Schriftstellerberufs erkennt, nämlich eine "Bank des nationalen Gedächtnisses" zu sein. - Die Geschichten werden aus subjektiver Perspektive erzählt, ohne Voyeurismus und in lakonischem Ton. Die Protagonisten reflektieren ihr Dasein und kommen zu eigener Erkenntnis, die aber großartigerweise im Schweben bleibt, und verweisen dadurch auf das Schicksal des Menschen an sich. - Keine leichte Lektüre, doch für größerer Bestände ein Gewinn. (Übers.: Thomas Brovot)
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Wölfe in der Nacht
Ángel Santiesteban
Fischer (2017)
269 S.
fest geb.