Kastelau

Die Geschichte beginnt damit, dass Samuel A. Saunders auf dem Walk of Fame den Stern des wegen seines Widerstandes in der NS-Zeit Oscar-gekrönten Arnie Walton zu zerstören versucht und dabei von der Polizei tödlich verletzt wird. Vor diesem Hintergrund Kastelau zieht nun Lewinsky seine als historisch gestaltete Dokumentation auf, die offenlegt, was Saunders zu dieser Tat veranlasste. Akribisch sammelte dieser alle ihm zur Verfügung stehenden Informationen, um die Reputation des in L.A. Verewigten zu vernichten. Dieser verließ gegen Ende des Krieges mit einer kleinen Filmcrew das gefährliche Pflaster Berlin, um in Kastelau, einem fiktiven Ort in den Alpen, einen Durchhaltefilm zu drehen. Nach Kriegsende dreht Walton diese Bemühungen durch geschicktes Schneiden und Dialogänderungen so hin, als sei ein Film des Widerstandes geplant gewesen. In Montagearbeit trägt der Autor alle seiner Figur Saunders zur Verfügung stehenden Informationen in Form von Interviewbeiträgen einer redseligen Schauspielerin, Tagebucheinträgen des Drehbuchautors, Ausschnitte von Filmdialogen, Briefwechsel der Beteiligten und Wikipedia-Artikel und Fragebogenantworten von Zeitgenossen zusammen und bestückt sie mit aufgebrachten Kommentaren von Saunders. - Das Besondere des Romans ist die Struktur, die in ihrer collageartigen Komposition Stil, Erzählhaltung, Raum- und Zeitstruktur variiert und über das Gewohnte hinaus auch den Leser ansprechen und/oder täuschen wird, der zunächst lieber ein geschichtliches Dokument in die Hand nehmen würde. Ein besonderes Buch, das sich auf ungewöhnliche Weise mit den menschlichen Abgründen und den aus Hilflosigkeit resultierenden opportunistischen Handlungen der NS-und Nachkriegszeit auseinandersetzt.

Christine Vornehm

Christine Vornehm

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Kastelau

Kastelau

Charles Lewinsky
Nagel & Kimche (2014)

397 S.
fest geb.

MedienNr.: 407973
ISBN 978-3-312-00630-4
9783312006304
ca. 24,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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