Das schwarze Herz des Verbrechens
In Form einer Crime-Story geht der Autor akribisch den Momenten nach, die Rodolfo Walsh ab dem Jahr 1956 bewegten, über ein Massaker an Unschuldigen durch das argentinische Militär zu schreiben. Der junge Journalist erhält einen Tipp, dass bei einem lokalen Militäreinsatz ein Mann das Erschießungskommando überlebt hat. Walsh spürt mit Hilfe seiner Kollegin Enriqueta die Familien von anderen Opfern auf, die sich eher zufällig in einem Haus aufhielten, in dem die örtlichen Militärmachthaber Aufständische vermuteten. Walsh findet keinen Zeitungsherausgeber, der seine Recherchen abzudrucken wagt. Nach diversen Repressalien quartiert er sich in einer ländlichen Region ein, die Verbindung hält die junge Kollegin, die nach Walshs Trennung von seiner Frau seine Geliebte wird. In der Einsamkeit wandelt Walsh sein Material in einen Roman um und findet sogar einen Verleger. Der Preis für ihn ist hoch: Leben im Untergrund und Abschied von Enriqueta. - Für die Fakten zu dem Massaker von San Martín kann sich der Autor auf Walshs Buch stützen. Was in ihm vorgegangen ist, wie sich Begegnungen abgespielt haben, muss er durch Fantasie und Wahrscheinlichkeiten ersetzen. Breiten Raum im Roman nimmt Walshs Ringen um die richtige Form ein. Wie erreiche ich öffentliche Aufmerksamkeit in Zeiten der Selbstzensur von Zeitungen? Wie schütze ich die Überlebenden? Und: Wie komme ich selbst und die mir nahestehenden Menschen ungeschoren davon? Selten, dass ein Autor den repressiven Druck einer (Militär-)Diktatur so griffig dargestellt hat. War Walshs Buch in den 50er Jahren der gedruckte Aufschrei der Argentinier, ist Figueras Roman mehr als eine biografische Hommage an einen Autor. (Übers.: Sabine Giersberg)
Pauline Lindner
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das schwarze Herz des Verbrechens
Marcelo Figueras
Nagel & Kimche (2018)
458 S. : Ill.
fest geb.