Nachts träum ich vom Frieden

Im Gegensatz zu Anne Frank hat Carry Ulreich die Jahre im Untergrund überlebt und konnte danach nach Israel auswandern. Das ist schon einmal der große Unterschied zwischen den beiden Tagebüchern. Weit mehr als Anne Frank in ihrem Tagebuch erzählt Nachts träum ich vom Frieden Carry von ihren Erlebnissen und ihren Gedanken als heranwachsendes Mädchen, das darunter leidet, nur wenig Kontakte nach außen, also außerhalb ihrer Familie, zu haben, und sie träumt, wie ein junges Mädchen in diesen Jahren eben so träumt. Das macht das Tagebuch so authentisch, dass es eben nicht nur ein "Kriegstagebuch" ist, sondern sich das politische Geschehen unmittelbar vermischt mit den alltäglichen Erlebnissen aller Art. Das Interview mit Carry Ulreich von September 2017 und die Anmerkungen des Herausgebers Bart Wallet belegen nicht nur die Authentizität des Tagebuchs in unveränderter Form, sondern stellen das Tagebuch und seine historische Bedeutung allgemein verständlich dar. Die Einleitung und das Nachwort sind darum von großem Wert. Sogar die Nachkommen der katholischen Familie, die die Judenfamilie Ulreich geschickt verbarg, konnten noch befragt werden. Sie bestätigen, was Carry aus ihrer Sicht beschrieb. Trotzdem ist das Tagebuch nicht nur ein Dokument aus Kriegszeiten, sondern ein leicht lesbares, typisches Tagebuch eines heranwachsenden Mädchens im Alter vor damals 15-20 Jahren mit all ihren Sehnsüchten, Idealen, Erwartungen, Hoffnungen und Enttäuschungen. Und wie sie langsam, und von ihren Eltern eingeführt, in den Ritus einer jüdischen Normalfamilie hineinwuchs und sie als selbstverständlich übernahm. Rundum lesenswert.

Armin Jetter

Armin Jetter

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Nachts träum ich vom Frieden

Nachts träum ich vom Frieden

Carry Ulreich. Mit e. Vor- u. Nachwort von Bart Wallet
Aufbau-Verl. (2018)

175 S.
fest geb.

MedienNr.: 880947
ISBN 978-3-351-03706-2
9783351037062
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi
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