Mit Blick auf See
Ich-Erzählerin Béatrice ist gerade aufs Land gezogen, in eine Mühle am See, als plötzlich ein junger Mann vor der Tür steht, sie mit ihrem Mädchennamen anspricht und sagt, er sei der Sohn von Helga Vogler. Béatrice kann sich an keine Helga Vogler erinnern, lädt ihn jedoch auf einen Kaffee in ihre Küche ein, in der Hoffnung, etwas über ihre Mühle zu erfahren. Als der junge Mann gegangen ist, lässt sie die Sache nicht mehr los. Statt ihre Umzugskisten auszupacken, verliert sie sich in Erinnerungsschleifen. Parallel dazu arbeitet sie an einem Manuskript über den Deutschen Herbst. Ihren Verleger interessieren die Erinnerungen derjenigen, die nicht selbst dabei waren. So tippt sie Interviews mit der jüngeren Generation sowie von Ex-DDR-Bürgern und Franzosen über ihre Eindrücke von dieser Zeit ab. Deren Aussagen durchziehen den inneren Monolog der Erzählerin, der zunehmend von Erinnerungen an das Jahr vor dem Deutschen Herbst unterbrochen wird. - Man muss sich darauf einlassen können, dass sich die Lyrikerin und Übersetzerin Odile Kennel ihrem Thema kreisförmig nähert und die Figuren in Béatrices Erinnerung miteinander verschwimmen lässt. Das macht die Lektüre zu einer detektivischen Kleinarbeit. - Für größere Bestände.
Karin Blank
rezensiert für den Borromäusverein.
Mit Blick auf See
Odilie Kennel
Dt. Taschenbuch-Verl. (2017)
271 S.
fest geb.