Nemesis

Es gibt keinen gerechten Gott, weder für den unglückseligen Helden - einen zweiten Hiob - noch für den Erzähler dieses düsteren Romans. Das Leben des Bucky Cantor steht wahrlich unter einem Unstern. Durch seine Geburt war seine Mutter zu Tode Nemesis gekommen, sein Vater war ein Dieb, zum Militärdienst taugt er, obwohl er als amerikanischer Jude liebend gerne gegen die Nazis kämpfen würde, wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht. Als sich im Jahre 1944 im Judenviertel seiner Heimatstadt Newark (übrigens auch die Geburtsstadt von Philip Roth), eine heimtückische Polio-Epidemie ausbreitet, die viele der ihm anvertrauen Kinder dahinrafft und schließlich ihn selbst zum Krüppel macht, gibt er sich selbst - ohne wirklichen Grund - die Schuld. Der einzig ehrenhafte Ausweg scheint ihm darin zu liegen, sich selbst für dieses vermeintliche moralische Versagen zu bestrafen: In heroischer Selbstkasteiung weist er die aufrichtige Liebe und das Heiratsangebot seiner Verlobten zurück, schließlich will er ihr ein Leben mit einem Krüppel nicht zumuten. Stattdessen klagt er "Gott, den großen Verbrecher" (S. 206) an und führt fortan ein Leben in entsagender Verbitterung. - Dieses Werk, das zusammen mit den vorangegangenen Romanen "Jedermann", "Empörung" und "Die Demütigung" (BP 07/124, 09/130, 10/654) die Reihe der Nemesisromane abschließt, gehört wohl nicht zu den bedeutendsten des großen amerikanisch-jüdischen Autors. Zu konstruiert wirkt alles und allzu vorhersehbar steigert sich das blindwütige Schicksal. Um die Diskrepanz zwischen nicht existenter Schuld und exorbitanter Sühne noch fürchterlicher zu gestalten, wird der Held geradezu idealistisch verklärt. Erzählerische oder kompositorische Raffinesse sucht man in diesem Alterswerk des 1933 geborenen Autors eher vergebens, allenfalls konstatiert man routiniertes Erzählen im Stile des amerikanischen Realismus. (Übers.: Dirk van Gunsteren)

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Nemesis

Nemesis

Philip Roth
Hanser (2011)

218 S.
fest geb.

MedienNr.: 344116
ISBN 978-3-446-23642-4
9783446236424
ca. 18,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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