Nullnummer

In der ersten Hälfte erweist sich der Roman als streckenweise sehr amüsantes Lehrstück über einen pervertierten Journalismus: "Die Zeitungen lehren die Leute, wie sie denken sollen." (S. 105) Und wie Manipulation durch die Medien funktioniert, Nullnummer wird zunächst an einem kuriosen Zeitungsprojekt, das dem Verleger erlaubt, "Leute klein zu halten, die ihn nicht mögen" (S. 140) äußerst anschaulich, manchmal auch grotesk überzeichnet, demonstriert. Einen sehr breiten Raum nimmt im weiteren Verlauf die Recherche Braggadocios, eines obskuren "Mythomanen" (S. 225), ein. Er will herausgefunden haben, dass Benito Mussolini im April 1945 nicht erschossen wurde, sondern an seiner Stelle ein Doppelgänger. Weil Braggadocio mit seinem Dossier der Wahrheit offenbar zu nahe kommt, muss er sterben. Das Zeitungsprojekt, von dem bisher nur "Nullnummern" fertiggestellt waren, wird nun eilig gestoppt. Die Gefahr für den im Hintergrund die Fäden ziehenden Herausgeber (offenbar ein 'alter Ego' Silvio Berlusconis) und alle Beteiligten ist zu groß geworden. - Die en passant eingeflochtene, für die Handlung unerhebliche Liebesgeschichte des Erzählers mit einer Kollegin rundet den insgesamt etwas inhomogenen Roman in versöhnlicher Weise ab. Doch politisch gesehen bleibt das Fazit düster. Weil sich die Darstellung über weite Strecken sehr in Details der italienischen Politik und Zeitgeschichte verliert, wohl v.a. für Eco-Fans zu empfehlen. (Übers.: Burkhart Kroeber)

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Nullnummer

Nullnummer

Umberto Eco
Hanser (2015)

230 S.
fest geb.

MedienNr.: 583604
ISBN 978-3-446-24939-4
9783446249394
ca. 21,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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