Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze

Im elften Roman des Büchner-Preisträgers besteht die Vordergrund-Handlung nur darin, dass der unbeschäftigte, im landläufigen Sinne gescheiterte, weil einkommenslose, u.a. von seiner Exfrau und noch zwei anderen ehemaligen Geliebten ausgehaltene Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze etwa 60-jährige Erzähler auf der Suche nach Abwechslung ziel- und absichtslos durch die Straßen seiner Heimatstadt Frankfurt streift, dabei Kaufhäuser, Cafés oder beliebige Örtlichkeiten besucht, dabei Passanten, vor allem Frauen, Tiere, Gegenstände ... beobachtet oder seine Wohnung aufsucht, hier seinen Erinnerungen nachhängt. Seine verschlissene Hose und ein notwendiger Neukauf beschäftigen ihn zum Beispiel mehrfach. Erinnerungen an frühere Affären, an seine Kinderzeit und an seine Eltern tauchen auf. Dass zwischendrin Sybille, seine Exfrau, stirbt, die, wie er vermutet, sogar Selbstmord begangen hat, berührt ihn nicht wirklich, obwohl er sogar unmittelbar zuvor Sex mit ihr hatte. Auch dass sich die nächste Geliebte einer Brustoperation unterziehen muss, berührt in nur insofern, als er sich Sorgen macht um ihre erotische Anziehungskraft. - Der Autor treibt hier seine Erzählstrategie des wirren assoziativen Bewusstseinsstroms ins Extreme. Gedanken und Gefühle, die das Bewusstsein der Erzählerfigur kapern, er befürchtet mehrfach verrückt zu werden, meist ausgelöst durch externe Trigger jeglicher Art, werden dem Leser scheinbar unsortiert und durch keine Logik im Zaum gehalten, unterbreitet. Diesem meist sprunghaften Assoziationsgewitter folgt man irritiert, amüsiert, erstaunt, je nach Geschmack und Laune. Wohl vor allem für eingefleischte Genazino-Fans zu empfehlen.

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze

Kein Geld, keine Uhr, keine Mütze

Wilhelm Genazino
Hanser (2018)

175 S.
fest geb.

MedienNr.: 879790
ISBN 978-3-446-25810-5
9783446258105
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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