Hoffnung in der Hölle
Selten schafft es ein Buch, so nachdenklich zu machen wie dieses. Nach der Lektüre bleiben Betroffenheit, Ratlosigkeit und Wut über das, was Menschen Menschen antun können und über die Verstrickungen der Politik weltweit in Terror, Hass und unmenschliche Systeme. Auch die internationale Gemeinschaft kann ihre Hände nicht in Unschuld waschen. Im demselben Maße wie das Entsetzen über die geschilderte Situation in Syrien Raum greift, wachsen Erleichterung und Dankbarkeit über die Erfahrungen von Frieden und demokratischen Verhältnissen im eigenen Land, aber auch die Erkenntnis der Notwendigkeit von Mitverantwortung für ein friedliches Miteinander weltweit. Im ersten Teil des Buches sind Berichte des syrischen Franziskaners P. Ibrahim Alsabagh aus der unmittelbaren Terrorerfahrung in Aleppo dokumentiert, die er zwischen Januar 2015 und Januar 2017 an seine italienischen Mitbrüder sendete. Aleppo stand in dieser Zeit im Fokus der Kämpfe um die Vorherrschaft zwischen Dschihadisten und der regulären syrischen Armee. Trotz unmenschlicher Zustände harren die Franziskaner bei den Menschen aus, die nicht aus der Stadt fliehen können, und organisieren Hilfe, wo auch immer es möglich ist. Es fehlt am Nötigsten: Wasser, Nahrung, Strom, Medikamente und Arbeit. Hinzu kommt die dauernde Bedrohung durch Raketenbeschuss und Heckenschützen. Auf den letzten 200 Seiten des Buches sind öffentliche Stellungnahmen (Vorträge, Skype-Schaltungen, Interviews) zusammengefasst, die die Lage in Syrien stärker reflektiert und für Außenstehende verständlich darlegen. Dabei bleiben die Perspektive P. Ibrahims und seine persönlichen Überzeugungen der Angelpunkt der Berichte. Gerade dadurch gewinnen sie ein hohes Maß an Authentizität. Die besondere Sorge der Franziskaner gilt den Kindern und Jugendlichen, aber auch den Kranken und Armen, und alle befinden sich gleichermaßen in einer lebensgefährlichen Situation - Tag für Tag. Kleine Gesten und Geschenke werden in Zeiten des Krieges zu Zeichen der Hoffnung. - Ein für alle Bestände und zu jeder Zeit besonders zu empfehlendes Zeugnis für den Frieden.
Lioba Speer
rezensiert für den Borromäusverein.
Hoffnung in der Hölle
Ibrahim Alsabagh
Herder (2017)
192 S.
kt.