A bissel was geht immer
Bärbeißig war er zweifellos, aber auch ein Schwabinger Original, vor allem jedoch war er ein Autor und Filmemacher, der wie kein anderer das Milieu der liebenswerten Münchner Grantler ebenso kongenial eingefangen hat wie die nur an Klatsch und Prosecco interessierte Schickimicki-Gesellschaft der bayerischen Landeshauptstadt. Seine Fernsehfilme in Prachtbesetzung wie "Münchner G'schichten" (ab 1974) und "Monaco Franze" (1983) waren Straßenfeger und seine Filme "Kir Royal" (1986), "Schtonk" (1992) und "Rossini" (1997) haben die Kinokassen klingeln lassen. 1941 in Bad Wiessee geboren und 2015 in München verstorben, war er einer der erfolgreichsten deutschen Filmregisseure der letzten Jahrzehnte und ein Meister, der ebenso knallhart entlarvenden wie auch liebe- und poesievoll sezierenden Personencharakterisierungen. Und so schildert er auch in dieser Autobiographie mit Detailfreude und Melancholie seine wenig fröhliche Kindheit, die nur von seinen beiden Großmüttern aufgehellt wurde, von denen eine ihm die Leidenschaft für die Welt der Filme vermittelte, der er dann auch (wie später so manchen Frauen) restlos verfallen ist. Persönliche und berufliche Höhe- und Tiefpunkte in seinem Leben beschreibt er hier mit einem bewundernswert herrlichen Understatement, das die Lektüre dieses Buches auch zu einem sehr persönlich gefärbten zeitgeschichtlichen Dokument von den Nachkriegsjahren über die Zeit des Wirtschaftswunders bis zum Aufstieg Münchens als "Deutschlands heimliche Hauptstadt" in den 1970er Jahren mit dem von ihm so authentisch eingefangenen Lebensgefühl der Bewohner werden lässt. Memoiren eines hochsensiblen Menschen hat Dietl hiermit hinterlassen, die in geschliffenem Stil verfasst sind. Ein Buch nicht nur für Filmfreunde.
Hannes S. Macher
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
A bissel was geht immer
Helmut Dietl
Kiepenheuer & Witsch (2016)
347 S. : Ill.
fest geb.