Ein denkendes Herz
Spätestens seit ihrem Welterfolg "Geh, wohin dein Herz dich trägt" weiß man, dass die Italienerin Susanna Tamaro eine empfindsame Seele ist. In ihrem neuesten Buch bringt sie, autobiografisch, ihre innersten Gedanken und Gefühle so zum Ausdruck, dass man innehält, um die berührenden Sätze erneut zu lesen. Sie erzählt von ihren Kindertagen, welche erfüllt von dem Wunsch waren, nach Kanada auszuwandern, um ein "Rotrock" zu werden, und von einer Erzieherin, die die erwachsene Susanna im Irrenhaus (!) sah. Träume und Ängste, die unglückliche Ehe der Eltern, die Liebe zum Bruder und den Großeltern werden in kurzen, emotionalen Texten beschrieben. Je weiter man in dem sehr weisen Buch liest, desto mehr wandelt sich die Thematik. Waren anfangs noch autobiografische Ereignisse im Vordergrund, so werden im letzten Drittel Susanna Tamaros Gedanken zunehmend philosophisch. Vor allem die Miniatur "Wale und Karotten" beeindruckt, trotz des irritierenden Titels, besonders durch ihre Tiefgründigkeit und Weisheit. Die Autorin schafft mittels ihres knappen Stils, bei dem wirklich jedes Wort sitzt, eine ganz besondere Atmosphäre, die man sehr genießt. Unbedingte Empfehlung! (Übers.: Barbara Kleiner)
Martina Mattes
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Ein denkendes Herz
Susanna Tamaro
Piper (2017)
184 S.
fest geb.