Eigentlich müssten wir tanzen
Heinz Helle stellt den Leser vor ein literarisches Experiment und lässt ihn damit allein. Seine Protagonisten, fünf Männer, die sich wie seit Jahren zu einem feucht-fröhlichen Hüttenwochenende versammelt haben, finden bei ihrer Rückkehr die Erde verwüstet, verbrannt, mit ausschließlich ausgelöschtem oder verendendem Leben. Es ist nicht gerade logisch, dass die Freunde sich einfach zu Fuß auf den Weg nach Nirgendwo machen, nur um ihre Entdeckung überall bestätigt zu finden, aber um Logik geht es nicht. Dieses Panorama bildet die Plattform für gnadenlos schonungslose Reflexionen über die menschlichen Abgründe. Aller Perspektiven beraubt, missbrauchen und schänden die Übriggebliebenen das, was von ihren Mitmenschen geblieben ist. Diese Extremsituation treibt die Freunde zu einer Brutalität, die in der Sinnlosigkeit ihres Daseins begründet scheint. Exkursartig werden die Lebensverhältnisse der Männer vor dem apokalyptischen Einbruch vorgestellt, was wie eine Diagnose unserer gesellschaftlichen Verhältnisse wirken mag. Der Ich-Erzähler, einer der Fünf, wird am Schluss der letzte Überlebende sein, der seinen herausgeforderten Leser mit der Frage zurücklässt, ob die Lektüre einem prophetisch anmutendem Aufruf oder doch nur einem literarischen Selbstversuch gleichkommt. Der Epilog lässt Ersteres vermuten. Der einfache, parataktisch gehaltene Stil verschmilzt mit der Provokation der Erzählung. Außergewöhnlich, sicher polarisierend, nicht immer stringent die Idee durchziehend, wird das Buch seinen Platz unter zeitgenössischer Literatur finden, deren Haltbarkeit sehr brüchig ist. (Deutscher Buchpreis, Longlist)
Christine Vornehm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Eigentlich müssten wir tanzen
Heinz Helle
Suhrkamp (2015)
172 S.
fest geb.