In Stücke gerissen
In Ungarn ist man blind für die internationale Krise, die schließlich zum Ersten Weltkrieg führt. Lähmende Obstruktionspolitik, Egoismus und Eitelkeiten prägen das politische Geschehen im Land. Im dritten Teil der "Siebenbürger Geschichte" (Teil 1, "Schrift in Flammen", BP/mp 12/611, Teil 2, "Verschwundene Schätze", BP/mp 13/594) Miklós Bánffys (1873-1950) trifft Bálint Abády Adrienne wieder und die beiden können endlich ihre Liebe offen leben. Auch Bálints Mutter zeigt sich zum Ende versöhnlich. Während die lokale Mittelschicht die Bauern gnadenlos ausbeutet, fühlt sich Bálint dem Wohl der Siebenbürger verpflichtet. Sein Einsatz wird bei den Reisen durch die Komitaten von der ländlichen Bevölkerung jedoch kaum gewürdigt. Schließlich zerbrechen auch die Träume des inzwischen 36-Jährigen kurz vor deren Erfüllung. Ohne Hoffnung meldet sich Bálint zum Kriegsdienst. - Die politischen Passagen nehmen mehr Platz ein als in den Vorgängerbänden und wechseln sich mit den persönlichen Geschichten ab. Bálints Rechtschaffenheit steht als Kritik der jüngeren Generation des ungarischen Adels und ihrem Unvermögen, ihre Privilegien politisch und gesellschaftlich sinnvoll einzusetzen. Alles zerfällt, die Heimat ist verloren, eine Ära geht zu Ende. Was Bálint ahnt, wusste der Autor bereits (der Band erschien 1940). So haftet den Schilderungen der Siebenbürger Landschaft in all ihrer Farbenpracht oder dem Tête-Ball etwas Melancholisches an. Die altmodische Sprache verstärkt den Eindruck von Vergangenem. Auch wenn man gelegentlich auf die Seitenzahl schielt, vermittelt die Mischung aus Innenpolitik und persönlichen Dramen anschaulich, wie jeder so mit sich selbst beschäftigt ist, dass das große Drama auf der Weltbühne in den Hintergrund rückt. - Für ausgebaute Bestände und alle Interessierten gerne empfohlen. (Übers.: Andreas Oplatka)
Barbara Sckell
rezensiert für den Borromäusverein.
In Stücke gerissen
Miklós Bánffy
Zsolnay (2015)
397 S.
fest geb.