Gelebt, erlebt, überlebt
Die Holocaust-Überlebende Gertrude Pressburger (geb. 1927) wollte nie über ihr Leben sprechen, aber der Satz des FPÖ-Politikers Strache: "Ein Bürgerkrieg ist in Österreich nicht unwahrscheinlich.", ließ die verdrängten Erlebnisse ihrer Kindheit wieder hochkommen und sie sah sich verpflichtet, ihre schrecklichen Erinnerungen einer breiten Öffentlichkeit nahezubringen, um den Parolen der Rechten entgegenzutreten. Ihre bewegende Lebensgeschichte - erstmals als Radioporträt und nun als Buch von der Journalistin Marlene Groihofer eindringlich gestaltet - ist ein bedrückendes Zeugnis der NS-Diskriminierungs-, Verfolgungs- und Vernichtungspolitik, mit dem Gertrude Pressburger die Politiker ermahnen und die junge Generation wachrütteln will. Eindrücklich, ohne Hass und Rachegefühle erzählt sie von der wachsenden Bedrohung ihrer Familie (jüdische Wurzeln, katholisch getauft), von der Flucht durch Kroatien, Slowenien, Italien bis zur Deportation nach Auschwitz. Die Erinnerungen an ihre Zeit im Vernichtungslager - Mutter und Brüder werden sofort ermordet, den Vater sieht sie auch nie wieder - zeigen ihre kaum auszuhaltenden körperlichen wie seelischen Demütigungen und Qualen, die sie nur durch ihren unbeugsamen Lebenswillen, die Solidarität der Mithäftlinge und schicksalhafte Zufälle überstehen kann. Ihre Schilderungen enden nicht mit ihrer Befreiung und dem Zusammenbruch des NS-Regimes, sondern sie beschreibt auch die immensen Probleme der folgenden Jahre (Traumata, Schuldgefühle, Krankheiten, Bürokratie), aber eben auch ihren Kampf gegen alltäglichen Rassismus. - Pflichtlektüre für jeden, speziell für junge Leute!
Inge Hagen
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Gelebt, erlebt, überlebt
Gertrude Pressburger. Aufgezeichn. von Marlene Groihofer
Zsolnay (2018)
203 S. : Ill.
fest geb.