Hiroshima

Erst durch das Schreiben erhält H., die sich selbst wie der Buchstabe nennt, der in den romanischen Sprachen stumm ausgesprochen wird, eine Stimme. Sie schreibt ihre Geschichte, angefangen bei der Bombenexplosion 1942 in Hiroshima. Doch schon bevor Hiroshima die Bombe sie entstellte, war H. eine Ausgestoßene, da sie weder Mann noch Frau war. Stets hin- und hergerissen zwischen zwei Geschlechtern, und doch in ihrem Bewusstsein eine Frau, lernt sie mit Anfang zwanzig den ehemaligen US-Soldaten Jim kennen, der unter den Foltern der japanischen Kriegsgefangenschaft litt. So finden die beiden Traumatisierten zueinander und versuchen, sich gegenseitig Halt zu geben und ihre Erlebnisse zu verarbeiten. Dabei verlieben sie sich ineinander, wobei H. endlich zu ihrer Sexualität und damit zu sich selbst findet. Der Schein eines harmonischen Lebens trügt allerdings, da H. bereits zu Beginn ihrer Beziehung mit Jim erfährt, dass dieser immer noch seine japanische Adoptivtochter Yoro sucht, die ihm kurz nach der Geburt anvertraut und dann mit fünf Jahren wieder weggenommen wurde. So begeben sich beide auf viele anstrengende, erfolglose Reisen auf der Suche nach dem verschwundenen Kind. Bis Jim eines Tages ums Leben kommt und H. nicht nur mit ihren Traumata zurücklässt, sondern auch mit dem Schmerz, Yoro nicht wiedergefunden zu haben. - Perezagua verwebt auf geniale Weise politische und historische Geschehnisse mit sehr intimen Gedanken und Gefühlen einer Protagonistin auf der Suche nach sich selbst. Ihre Sprache ist bildhaft, gewaltig und zugleich wundervoll. Sehr zu empfehlen. (Übers.: Silke Kleemann)

Clara Braun

Clara Braun

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Hiroshima

Hiroshima

Marina Perezagua
Klett-Cotta (2018)

373 S.
fest geb.

MedienNr.: 593001
ISBN 978-3-608-98136-0
9783608981360
ca. 24,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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