Der Tod Gottes und die Krise der Kultur

Der Titel und der Autor des Buches könnten einen der in den letzten Jahren modisch gewordenen polemischen Angriffe auf Religion und Christentum in unserer Zeit vermuten lassen. Der "Tod Gottes" wird ohne Anführungszeichen gesetzt und der Autor ist als leidenschaftlicher Verteidiger des Marxismus bekannt. Je mehr man sich aber in dieses Buch hineinliest, löst sich dieses Vorurteil schnell auf. Leidenschaftlich geschrieben ist dieses Buch auch, aber der Autor arbeitet sich, für den Leser manchmal mit Mühen zu lesen, an Autoren der europäischen Geistesgeschichte ab, die Aufklärung und Vernunft als nicht vereinbar mit dem religiösen Glauben ansehen. Kant und Marx, sogar Voltaire könne man nicht so einfach zu Kronzeugen des Untergangs von Religionen zählen, wie es heute oft von intellektuellen Zeitgeistatheisten unterstellt wird. Die Denker der Aufklärung haben Großes geleistet, aber je mehr man sich mit ihren Schriften beschäftigt, umso mehr bemerkt man auch die Grenzen einer nur an Rationalität und kalter Berechenbarkeit interessierten "Heiligsprechung der Vernunft". Säkulare Gesellschaft, so eine der Grundthesen des Autors, haben immer ein "Problem mit ihren moralischen Begründungen". Die kapitalistische Gesellschaftsordnung wird nicht nur wegen ihrer heute immer spürbarer werdenden Ungerechtigkeit vom Autor abgelehnt, sondern auch wegen ihres "totalen spirituellen Bankrotts". Anstelle des für tot erklärten Gott sind der Kapitalismus und der Konsum als Ersatzreligion getreten. - Man muss die marxistische Gesellschaftsanalyse des Autors nicht teilen, aber seine heftige Attacke auf den "bürgerlichen Durchschnittsatheisten", der glaubt mit einer "Billigvariante der Aufklärung" das Ende jeder religiösen Bindung zu feiern, ist überzeugend. Dass ein traditioneller Marxist ein so starkes Plädoyer für die Aktualität von Religion und christlichem Glauben vorlegt, nimmt man nicht ohne Erstaunen zur Kenntnis.