Das Verschwiegene
Eigentlich sollte zu Jenny Brodals 75. Geburtstag alles perfekt sein. Ihre Tochter Siri und ihr Mann Jon haben ein rauschendes Fest für die Jubilarin organisiert, und für den weiteren Sommer, den sie bei ihrer Mutter verbringen wollen, eigens ein Kindermädchen eingestellt. Doch die Familienidylle hält nicht lange an: Alma wird geplagt von schrecklichen Alpträumen, Liv ärgert ihre Schwester und das Kindermädchen, die 19-jährige Mille, verschwindet eines Tages spurlos. Zu allem Überfluss beginnt die 75-Jährige nach 20 Jahren der Abstinenz wieder, Alkohol zu trinken. Wie hängt das alles zusammen? Warum ist es gerade Milles Verschwinden, das in der Familie zu einem Ausbruch verschiedenster Gefühle, Ängste und Emotionen führt? - Eingängig schildert Linn Ullmann das Familienleben der norwegischen Kleinfamilie. Plastisch gestaltet sie dabei die Charaktere, die beiden Mädchen ebenso wie Mutter und Großmutter. Erst nach und nach legt sie behutsam die Schichten frei, die diese Familie als Fassade aufgebaut hat. Eindrücklich und in poetischer Sprache schildert sie, wie Unterdrücktes, Verschwiegenes, Verlorenes plötzlich mit dem Verlust des Kindermädchens aus der Familie ausbricht. Ein radikaler, melancholischer, aber fesselnder Einblick in die einzelnen Leben einer scheinbar normalen Familie. (Übers.: Ina Kronenberger)
Sonja Schmid
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Verschwiegene
Linn Ullmann
Luchterhand (2013)
350 S.
fest geb.