Gustav Klimt
Kaum ein Kunsthistoriker dürfte kompetenter sein, sich zu Gustav Klimt, dem 1918 gestorbenen Wiener Maler des Fin de Siècle, zu äußern als Alfred Weidinger, der zusammen mit Mona Horncastle bereits zwei Bücher über Klimt publiziert hat. Die 325 Seiten des vorliegenden Buches sind gefüllt mit Fakten zu Begegnungen und der malerischen Entwicklung Klimts, der aus ärmlichen Verhältnissen kommend den Weg über die Dekorationsmalerei zum wohl bestbezahlten Maler des frühen 20. Jh. fand. Wer jedoch eine konzise und biografisch einfühlsame Darstellung mit Ausleuchtung von Psychologie und Lebensform/Familienverhältnis erwartet, dürfte enttäuscht sein. Wo es um Klimt, dessen Promiskuität und fragliche Nachkommen allerhand Tratsch gibt, beschränken sich die Autoren auf Gesichertes und kunsthistorisch Wesentliches. Die Kapitel springen daher die wichtigsten Aspekte dieser Biografie an, ohne dass das Buch zur erzählenden und eigentlich biografischen Form findet. Allerdings beleuchtet es schlaglichtartig die Wiener Gesellschaft des Großbürgertums, was für den Kunstinteressierten äußerst gewinnbringend ist. Da wecken auch die Abbildungen von Aktstudien des Meisters keinen Abscheu, sondern tragen dazu bei, ein Gesamtbild der künstlerischen Leistung und des Menschenbildes Klimts aufzuzeigen. Obwohl die Autoren auf Erotik, Sexualität und Frauenemanzipation im Werke Klimts eingehen, findet sich unter den im Anhang aufgenommenen Kurzbiografien der Menschen, die für ihn von Bedeutung waren, keine einzige Frau. Statt der Auflistung der kärglichen hinterlassenen Bibliothek des Malers wäre ein Literaturverzeichnis mit den wichtigsten Publikationen aus neuerer Zeit aufschlussreicher gewesen. Dem Gold-Nimbus des Malers wird ganz und in untadelig kunstwissenschaftlicher Form entsprochen - eine den Menschen schildernde Biografie ist es jedoch nur eingeschränkt. Das Buch sei nur großen Beständen mit Kunst-Schwerpunkt vorbehalten.
Helmut Krebs
rezensiert für den Borromäusverein.
Gustav Klimt
Mona Horncastle ; Alfred Weidinger
Brandstätter (2018)
325 S. : Ill. (z.T. farb.)
fest geb.