Am Nachmittag kommt der Führer

"Rüstet zum Empfang! Gegen 14 Uhr kommt der Führer nach Salzburg ... Schmückt die Straßen! Bekränzt die Häuser!" Mit diesen Worten fordert das Salzburger Volksblatt vom 6.4.1938 die Bevölkerung auf, den Besuch Adolf Hitlers mit großer Begeisterung zu begleiten. Dass Begeisterung und Dankbarkeit eigentlich gar nicht angeordnet werden mussten, dass in Salzburg und in ganz Österreich der "Anschluss" (12.3. 1938) und die Machtübernahme der Nationalsozialisten von der Bevölkerungsmehrheit bejubelt wurden, belegt Holger Schaeben in dieser spannend zu lesenden Chronik des Jahres 1938. Geschickt verbindet er historische Personen und Fakten mit dem Schicksal "normaler" Bürger und macht durch ständigen Perspektivenwechsel überdeutlich, wie die NS-Ideologie und ihre praktische Umsetzung sich einerseits immer brutaler auf Juden und Andersdenkende auswirkte und andererseits als Karrieresprungbrett und Finanzspritze für willige Parteigenossen fungierte. Die Protagonisten dieser beiden Gruppierungen sind Walter Schwarz, ein wohlhabender jüdischer Geschäftsmann, sowie Franz Krieger, der als Bildreporter den Nazis seine Dienste anbietet und zum gesuchten NS-Fotografen aufsteigt. Aus diesen Schicksalen, die beide eng mit Salzburg verbunden sind, aber auch über die Stadt hinausgreifen, aus authentischen Pressemitteilungen, Chronikauszügen, Tagebucheinträgen sowie aus ganz alltäglichen Ereignissen gestaltet Schaeben ein beeindruckendes, vielschichtiges Bild des Jahres 1938, das Geschichte lebendig und verständlich darbietet. - Ohne Einschränkung sehr zu empfehlen!