Die Liebenden von Mantua

Zwei Freunde (aus deren Sicht abwechselnd erzählt wird) treffen sich nach langen Jahren in Mantua. Raffa, der Erdbebenforscher, ist anlässlich des Erdbebens 2012 in der Stadt. Manu, der Schriftsteller, recherchiert für einen neuen Roman über die Die Liebenden von Mantua "Liebenden von Mantua", eine archäologische Sensation: Ein jungsteinzeitliches Paar war 2007 nach 6000 Jahren in scheinbar liebevoller Umarmung der Erde entrissen worden. Ein verrückter, von der Idee, sie zum Symbol einer neuen wahrhaft humanen Diesseitsreligion zu machen, besessener Graf entwendet die Skelette, entführt den Schriftsteller und will ihn zwingen, eine "Charta der Liebe" (S. 109) zu verfassen. "Der Gekreuzigte hat ausgedient! Weg mit dem allgegenwärtigen Folterbild!" (S. 110) "Das einzige Paradies, das es je wird geben können, ist das erfüllte, geteilte Diesseits zweier Liebender." (S. 104) Dem in der Villa des Conte unter halluzinogene Drogen gesetzten Manu wird zu diesem Zweck eine Bibliothek mit allerlei philosophischen, mystischen Werken zugänglich gemacht. Jede Nacht widmet er sich der Lektüre, und die gedankenschweren Lesefrüchte und fingierten Traumgespräche werden auch dem Leser überreichlich aufgetischt, ebenso wie die Diskurse von Graf und Gefangenem. Raffa, auf der Suche nach dem verschwundenen Freund, gerät gleichzeitig an eine geheimnisvolle junge Frau, die ihn mit den (erotischen) Meisterwerken der Renaissance in den berühmten Palästen Mantuas bekannt macht. Dies freilich so ausführlich, dass man manchmal glaubt, einen Kunstführer in Händen zu halten. Am Ende gibt es zwei Tote, Manu wird befreit, der Graf landet im Kittchen, womit die Kriminalgeschichte, die den ganzen Roman fast notdürftig zusammenhält, ein allzu unmotiviertes Ende findet. Fazit: ein sprachlich bestechend geschriebener Roman voller literarischer Anspielungen. Assoziativ aneinandergereihte Kurzsätze ergeben mitunter einen Text von schwebender Leichtigkeit und Offenheit. Inhaltlich aber ein etwas inhomogener, mit literarischen, kunsthistorischen, philosophischen und theologischen Details schwer beladener Roman, dessen Kriminalhandlung allzu konstruiert wirkt. Jedenfalls ist diese Liebeserklärung an Mantua für "Liebende Mantuas" ein Leckerbissen. (Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2015)

Helmer Passon

Helmer Passon

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Die Liebenden von Mantua

Die Liebenden von Mantua

Ralph Dutli
Wallstein (2015)

272 S.
fest geb.

MedienNr.: 804109
ISBN 978-3-8353-1683-6
9783835316836
ca. 19,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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