Betrachtungen über das Wesen des Menschen
Die "Betrachtungen über das Wesen des Menschen" gehören zu den Frühwerken des großen Philosophen und späteren Papstes. Dass wir sie endlich in deutscher Sprache in Händen halten, verdanken wir H.-G. Nissing, der diesem Werk auch einen sehr erhellenden, auf das Gesamtwerk Wojtylas bezugnehmenden Kommentar beigegeben hat. Von höchster Bedeutsamkeit sind diese "Betrachtungen" nicht nur, weil sie uns Einblick in das frühe Denken Wojtylas, also noch vor der intensiven Auseinandersetzung mit Max Scheler und anderen Phänomenologen, geben, sondern schon methodisch wie inhaltlich die Wege und Themenfelder seiner späteren Anthropologie - Nissing vergleicht es mit einer Landkarte - vorzeichnen. Wir erkennen in ihnen die stets schöpferische Rezeption von Thomas von Aquin, den Wojtyla auf moderne Fragestellungen hin weiterdenken will, und des Mystikers Johannes vom Kreuz, die Verbindung von unmittelbarer Erfahrung, naturwissenschaftlichen Erkenntnissen mit einer um die Bewusstseinsphilosophie ergänzten Seinsphilosophie, und all dies eingebettet in eine tiefe katholische Gläubigkeit, die sich gegen Kommunismus und Materialismus existentiell bewähren musste. Dieses Buch kann man nicht anders bezeichnen als ein einziges, kaum ausschöpfbares Denk-Erlebnis, das uns in orientierungslos gewordenen Zeiten einen wahrhaft großen Papst wieder in Erinnerung ruft.
Richard Niedermeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Betrachtungen über das Wesen des Menschen
Karol Wojtyla. Eingeleitet und übers. von Hanns-Gregor Nissing
Pneuma-Verl. (2017)
LXXVIII, 71 S.
kt.