Literaturnobelpreis 2021 für Abdulrazak Gurnah

Weltgewandt

Der Literaturnobelpreis 2021 geht an Abdulrazak Gurnah. „Abdul... wer?“, werden sich viele gefragt haben und sich kopfschüttelnd anderen Dingen zugewandt haben.

Es stimmt ja, dass das Komitee für den Literaturnobelpreis in den letzten Jahren einige seltsam erscheinende und heftig kritisierte Entscheidungen getroffen hat: Peter Handke (2019), Bob Dylan (2016) oder Tomas Tranströmer (2011). Doch in diesem Jahr ist es anders, wie aus der Presseschau hervorgeht.

Auf Spiegel online z.B. heißt es, es gehe in diesem Jahr um „Unsichtbarkeit und Sichtbarkeit“, um Migration als Folge des Kolonialismus. Und die FAZ lobt den Preis als Inbegriff von Weltliteratur.

Abdulrazak Gurnah wurde 1948 auf Sansibar geboren und lebt seit 1968 in Großbritannien. Seit 1987 hat er 10 Romane geschrieben, von denen 5 ins Deutsche übersetzt wurden. „Schwarz auf Weiß“ (2004) wurde sogar in „Buchprofile“ besprochen. Die Bücher sind inzwischen vergriffen.

Sein jüngster Roman „Afterlives“, erschienen im letzten Jahr, ist zumindest noch nicht ins Deutsche übersetzt worden – und das, obwohl er von einem von der deutschen Kolonialmacht in Tansania (damals noch „Deutsch Südwest“) 1905 brutal niedergeschlagenen Aufstand erzählt.

Auf Gurnahs Schreiben über den Kolonialismus und seine Folgen bezieht sich auch die Begründung der Schwedischen Akademie, die ihn „für seine kompromisslose und mitfühlende Durchdringung der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals von Flüchtlingen in der Kluft zwischen den Kulturen und Kontinenten“ auszeichnet.

Daher weitet der Literaturnobelpreis 2021 den Blick über den Tellerrand unserer weißen, westlich geprägten Gesellschaft auf Themen und Weltgegenden, die hier als schwierig gelten oder scheinbar von nur geringem Interesse sind. Aber Literatur aus Afrika oder aus anderen Ländern auf dem Globus ist eben auch Weltliteratur – und nimmt in diesem Fall beide Teile des Wortes ernst.

Nachlesen können Sie die Reaktionen der Presse beim Perlentaucher und (sofern Sie einen entsprechenden Zugang haben) auch in einem interessanten „Spiegel +“-Artikel (Links siehe Infokasten links).

Für die KÖBs heißt das erstmal nichts, denn Gurnahs Romane sind wie gesagt vergriffen, werden aber bestimmt infolge des Nobelpreises neu aufgelegt. Und „Afterlives” wird wohl (hoffentlich!) schnell übersetzt. Wir werden berichten.

Abdulrazak Gurnah, Ill. Niklas Elmehed © Nobel Prize Outreach.

Presseschau (Links)

Tobias Rapp: „Hat die Identitätspolitik ihren ersten Nobelpreis?” auf Spiegel online

 

Andreas Platthaus: „Abdulrazak Gurnah hatte keiner auf der Rechnung” auf faz.net

 

Weitere Pressestimmen auf perlentaucher.de

 

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Abdulrazak Gurnah bei wikipedia