Flieg, Vögelchen, flieg!
Eine Pappbilderbuchreihe ‚100% Naturbuch‘ in verschiedenen Formaten und mittlerweile auch zahlreichen Bänden legt Katrin Wiehle vor. In dem Band „Mein kleines Vogelbuch“ geht es für ganz junge Kinder um die Welt der Vögel. „Mich fasziniert die Vielfalt, die regionalen Unterschiede und dass man immer mal einen Vogel sieht, den man noch nicht kannte“, so Wiehle. „Und kleine Kinder finden es toll, die unterschiedlichen Vögel zu suchen und zu entdecken,“ so die stilsichere Illustratorin weiter. Auf Recyclingpapier und mit Ökofarben gedruckt sieht man auf Doppelseiten die Vögel in ihrer natürlichen Umgebung und auf beigem Hintergrund einzelne Vogelarten. Interessant ist der akustische Zusatz zum Pappbilderbuch. Auf https://www.beltz.de/kinder_jugendbuch/24_vogelstimmen.html sind gleich 24 Vogelstimmen zu hören. Ob Wanderfalke, Zaunkönig oder Hausspatz - ganz unterschiedlich und horizonterweiternd sind die Eindrücke beim anhören.
Wie sich der Kuckuck anhört, das mag gemeinhin bekannt sein. Stellt der Name doch die lautmalerische Umsetzung seines Gesanges dar. Daniel Fehr gelingt ein heiteres Bilderbuch mit einnehmender Pointe in „Kuckuck, ich bin wieder da!“. Worum geht es? Die Rückkehr des gefiederten Gesellen steht an. Und diese nicht nur nach einem kurzen Tagesausflug, sondern nach einem langen Winter in Afrika. Da ist seine Freude und auch die Erwartungen an die anderen Tiere im geliebten Wald groß. Aber keiner scheint da zu sein. Von keiner einzigen Höhle, keinem einzigen Zuhause kommt Antwort … „Sie haben etwas erlebt und wollen unbedingt ihren Liebsten davon erzählen. Das ist eine ganz furchtbare Erfahrung, die schon kleine Kinder kennen,“ so der Schweizer Autor dazu. Die quicklebendigen, temperamentvollen Illustrationen - von Luigi Olivadoti mit Buntstift gezeichnet - bringen viel Witz und Schwung in die Sache und lassen das Happy-End mit einer aufklappbaren Doppelseite so richtig zur Geltung kommen. Herrlich!
So unkompliziert ist das Leben des Mannes mit den Gänsen nicht. Eine Übersetzung des poetischen, zweisprachigen Bilderbuches „Die Sommergäste - Las visitas del verano“ aus Uruguay von Jochen Weber aus dem Spanischen bringt von der ersten Doppelseite an durch einfühlsame Farbigkeit und mit viel Weite Raum und Atmosphäre auf die Seiten. Intensiv und faszinierend ist man nah dabei, wenn sich der Mann und die Vögel miteinander arrangieren und dann noch viel mehr daraus erwächst. „Begeistert hat mich, wie man in der Körperhaltung des Mannes und der Gänse sehr genau ihre jeweilige Stimmungslage erkennen kann, obwohl die Figuren überhaupt nicht detailliert ausgearbeitet sind“, so Weber. Matias Acosta ist zum ersten Mal auch für den Text verantwortlich. Seine Illustrationen entstehen, nachdem er lange einzelne Szenen oder Orte beobachtet hat. Diese Ernsthaftigkeit und Intensität ist zu spüren.
Dass Melanie Garanins Hühner oder Hähne solch eine engen Kontakt zu einem Habicht hatten, das hat die Illustratorin noch nicht beobachtet. Die beiden Vögel in „Der Habicht und der Hahn“ dagegen verbindet ein sehr inniges Verhältnis. Basierend auf dem Song von Käptn Peng hat sich Melanie Garanin an die Arbeit gemacht. Mit der Musik als Dauerschleife im Ohr konnte sie sich in Typografie und Illustrationen frei entfalten. Und tatsächlich versprüht sie ein wahres Feuerwerk an Bildideen und wilder Lebendigkeit auf den Seiten. „Ich finde den Song richtig gut. Toller Text, tolle Musik, tolle Botschaft!“, so Garanin. Denn - egal was die anderen sagen - wenn der Hahn partout nichts mit den Hühnern anfangen kann, sondern stattdessen vom Habicht angetan ist, dann ist es eben auch gut so.
Einen ganz anderen Blick auf Vögel hat der Lyriker Arne Rautenberg. „Denkt man symbolisch über Vögel nach, so sind sie so etwas wie der Vermittler zwischen Himmel und Erde. Seit jeher werden Vögel als die Boten des Transzendenten gesehen, und die herausfordernde Frage lautet: „Was können uns die Vögel mit ihren schönen Gesängen sagen?“ In „fünfzehn kilo kolibri gedichte zum abheben“ illustriert von Katrin Stangl bekommen Kinder wie Erwachsene rund um die Vögel Lyrik vom Allerfeinsten. „Ich wollte etwas von dem Glück, das einem die Vögel bescheren, weitergeben,“ so Rautenberg. Und das ist ihm zweifellos gelungen. Unmöglich, sich für ein Lieblingsgedicht zu entscheiden, wenn man alle vierzig Gedichte liest. Vielmehr gilt: ein Gedicht besser als das andere - absolut preisverdächtig. Ähnlich originell ist die grafische Gestaltung. In Schmuckfarben und spezieller Drucktechnik ist Stangl auch in der Typografie perfekt.
Ihr Lieblingsvogel ist die Feldlerche, die rennomierte Berliner Künstlerin hat sich seit langem „Von Raben und Krähen“ faszinieren lassen. Britta Teckentrup ist tief eingestiegen in die Fakten und das Allgemeinwissen rund um diese Vögel. „Ich habe angefangen literarische Texte, Gedichte, Mythen und Märchen zu sammeln. Denn das Buch sollte biologische Fakten über die Rabenvögel beinhalten, aber auch von ihnen in der Kunst- und Kulturgeschichte berichten,“ so Teckentrup. Dabei herausgekommen ist eine ästhetisch hochwertige Fundgrube für die ganze Familie. An den Rabendarstellungen in der Natur an ganz unterschiedlichen Orten kann man sich kaum sattsehen. Antworten auf die Frage „Warum ist die Krähe schwarz?“ bekommt man ebenso wie Wissen über Bestattungsriten, 250 verschiedene Krähenrufe und die Rolle der Raben in aller Welt. Die gelungene Mischung aus Anthologie und Sachbuch zeichnet dieses neue Werk aus und ist ein Genuss für alle, die sich ebenfalls für Raben und Krähen interessieren.
Noch viel mehr Informationen verbreitet und Wissen stillt die junge Schweizer Künstlerin Lisa Voisard mit ihrem „Ornithorama - Entdecke und beobachte die wunderbare Welt der Vögel“. Auch dies ein Werk von acht Jahren an aufwärts und eines, dass sich über 80 Vögeln aus Europa widmet. Aus einer umfassenden Bilderausstellung über Vögel 2019 hat sich das vorliegende Sachbuch entwickelt. „Ich wollte als begeisterte Vogelliebhaberin meine Liebe zu Vögeln teilen. Wenn ich in der Natur spazieren gehe, finde ich es schön, nicht zu wissen, welchen Vögeln ich begegnen werde. Und jedes Mal ist es ein anderes Schauspiel!“, so Voisard in ihrem Nachwort. Übersichtlich, in klarem Layout und kleinen Steckbriefen mit den Kategorien: Ordnung, Verhalten, Aktivität und Lebensraum lernt man viele Fakten kennen. Die leicht schematische Darstellung überzeugt und danach kann man sich kaum entscheiden, welcher Vogel der liebste ist. Muss man ja vielleicht auch gar nicht. Lisa Voisard jedenfalls plädiert für den Uhu und die Amsel.