Tamara Bach
Markenzeichen der Jugendbuchautorin: Reduktion und Klarheit in Sprache und Erzählweise
„Ich habe immer nur geschrieben“, erinnert sich Tamara Bach, „wollte zuerst gar nicht Schriftstellerin werden“. Heute zählt die gebürtige Limburgerin zu den renommiertesten Jugendbuch-Autorinnen Deutschlands.
Seit wann sie genau schreibt, kann sie kaum sagen und glaubt: Es fing für sie damit an, sich Geschichten auszudenken, bevor sie überhaupt schreiben konnte. In der siebten Klasse des Gymnasiums erkannte der Deutschlehrer ihr Talent, ermunterte sie, am Treffen junger Autoren in Berlin teilzunehmen. Mit 13 Jahren war sie zum ersten Mal dabei, nahm fortan – bis auf einmal –regelmäßig teil und gewann mit 17.
Fasziniert von der Großstadt zog sie von einem Dorf in Rheinhessen nach Berlin. Gemeinsam mit einer Freundin. Dort knüpfte und vertiefte sie Kontakte mit Schriftstellern, nahm an Schreibworkshops teil. Parallel studierte sie Deutsch und Englisch für das Lehramt. 2003 machte sich Tamara Bach mit „Marsmädchen“ einen Namen. Noch als unveröffentlichtes Manuskript wurde der Roman mit dem Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis ausgezeichnet. 2004 folgte der Jugendliteraturpreis. Im selben Jahr erschien „Busfahrt mit Kuhn“, drei Jahre später „Jetzt ist Hier“ (prämiert mit dem Luchs). 2007 gewann sie das Stadtschreiberstipendium der Stadt Mannheim, 2011 den Martha-Saalfeld-Förderpreis. 2013 kam „Was vom Sommer übrig ist“ heraus. Ein großer Erfolg, gewürdigt mit dem Katholischen Kinder- und Jugendliteraturpreis, dem White-Ravens-Preis und dem Deutsch-Französischen Literaturpreis.
Was hat sich nach ihrem Durchbruch vor mehr als 10 Jahren verändert?
Tamara Bach beendete ihr Studium, wurde Schriftstellerin statt Lehrerin. Sie reiste viel durch fremde Länder, lernte neue Menschen kennen, schrieb mehr, wechselte von Oetinger zu Carlsen und zog um: „Ich habe jetzt einen Balkon, auf dem wachsen Blumen, die ich selbst gezogen habe.“ Die Autorin überzeugt durch äußert geschliffene, klare Sprache, beherrscht die Kunst der Andeutung, des Auslassens. Und beeindruckt durch ihre Erzählweise. Die macht sie abhängig von der Geschichte, denn, so Bach: „Jede Geschichte sucht sich ihre eigene Form und Sprache.“
Die Autorin kann sich gut in Jugendliche einfühlen. Doch die Frage, wie ihr die Nähe zu deren Lebensgefühl gelingt, kann sie nicht nachvollziehen: „Ich weiß nicht ganz, was dieses Lebensgefühl sein soll. Wir waren alle mal Jugendliche, vergessen das andere Menschen?“ Die Gefühle, die sie beschreibt, sind „Trauer, Verliebtheit, Einsamkeit, Sehnsucht etc., die hat man auch noch als Erwachsener“. Und ergänzt: „ Wenn ich es schaffe, diese Gefühle gut darzustellen, dann liegt es daran, dass ich über die Figuren in den Text komme. Wenn die Figuren stehen, wenn sie leben, dann erzählen die mir die Geschichte. Und dann ist all das, was sie fühlen, auch real.“
Dichter, radikaler - Marienbilder
Tiefe Gefühle beschreibt Tamara Bach auch in ihrem neuen Roman, Marienbilder. Der Roman ist noch dichter, radikaler als die Werke zuvor. Im April stand er auf der Liste der besten sieben. Ein Thema des Buches ist die Suche nach Antworten - einer jungen Frau, deren Mutter von heute auf morgen verschwunden ist. Warum und wohin? Bach spielt mit fünf verschiedenen Varianten. „Das Buch“, sagt die Autorin, „ ist eine Fundgrube an Themen, wenn man will. Und jeder Leser findet bestimmt noch ein zwei und mehr andere Themen, die alle legitim sind.“
Dass eine Mutter die Familie verlässt, war für Tamara Bach eine rein dramaturgische Entscheidung. Die Geschichte fängt für sie mit den Konsequenzen des Fortgangs an. Sie interessieren, „zum Beispiel die Menschen, die zurückbleiben. Und auch die Fragen, die man sich stellt, die man nie wirklich beantwortet bekommt. Leerstellen in Lebensgeschichten.“ Ihr geht es „um Geschichten, Vorgeschichten, aber auch um den Gegensatz freier Wille, Entscheidungskraft einerseits gegen eventuelles Schicksal oder größeren Plan.“ Die Sprache des Romans ist anspruchsvoll, verlangt jungen Leser/innen schon einiges ab. „Vielleicht viel“, räumt die Autorin ein, „aber nicht zu viel. Das kann man schaffen.“
… am liebsten Nachts
An Marienbilder arbeitete Tamara Bach über einen langen Zeitraum. Teile des Romans sind weit über zehn Jahre alt, was aber nicht heißt, dass sie stetig mit dem Text beschäftigt war. „Da waren ein paar Szenen, die vielleicht unbewusst in meinem Kopf all die Jahre mitgegangen sind und sich in einen großen Zusammenhang in der Geschichte gesucht haben.“ 2009 wurde der Roman konkreter, aber erst 2012 machte sie sich richtig ans Werk. Über etwa drei bis vier Monate „und dann auch nicht jeden Tag.“ Die Autorin schreibt „am liebsten nachts. In der Küche.“ Was ihr Schreiben angeht, hält sie sich für „sehr disziplinlos“. „Ich gehe tatsächlich größten Teils nach Inspiration“. In den Sommermonaten setzt sie sich jedoch gezielt an einen Text („der dann meistens schon einige Seiten hat“), um ihn fertig zu schreiben. Dann hat sie lesungsfrei und nutzt die Zeit zu schreiben, da sie das unterwegs nur schlecht kann.
Vor der diesjährigen Sommerpause standen die Beteiligung am White Ravens Festival und zuvor der zweite Seminarteil zum Thema „Jugendbuch“ für die Bayrische Akademie des Schreibens auf dem Programm. Den hielt sie gemeinsam mit der Lektorin Beate Schäfer. Im Rahmen des Seminars nahmen die jungen Autoren auch an einer Podiumsdiskussion in der IJB teil: Dort ging es u.a. um das grundlegende Kriterium für einen guten Text. Das, so das Fazit, ist Glaubwürdigkeit: im Blick auf die Figuren, ihre Handlungsmotivation, das Setting und die Dialoge. „Wenn der Text in seinen Elementen nicht glaubwürdig ist, steigt der Leser oft aus“, weiß Tamara Bach. Unabhängig von der Art der Fiktion. Für das Schreiben empfiehlt sie, „einfach Spaß dabei zu haben. Und den Spaß beim Schreiben nicht zu verlieren“. Was „einfacher klingt, als es ist.“
Sie selbst plant ein neues Buch. Zu welchem Thema? Dazu sagt die Schriftstellerin nur so viel: „Ich vermeide es zu gackern, bevor das Ei gelegt ist“.
Birgit Overkott
August 2014
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