Ein Sonett ist ein Sonett und ein Erstlesebuch ...
Ein Sonett ist ein Sonett und ein Erstlesebuch ist ein Erstlesebuch
Kleine Interviewserie
von Antje Ehmann
„Super-Hugo startet durch!” von Salah Naoura und Sabine Büchner (Oetinger) ist am 16. November in Hamburg mit dem „Preuschhof-Preis für Kinderliteratur” ausgezeichnet worden. Prämiert wird jeweils das beste Erstlesebuch des Vorjahres. Eine Fachjury wählt zunächst zehn Titel aus, über 450 Kinder entscheiden
in einem nächsten Schritt über das Preisbuch. Die Projektleiterin Maren Töbermann dazu: „Dass mit Salah Naoura ein so renommierter Kinderbuchautor ausgezeichnet wurde, zeigt einmal mehr, wie wichtig gerade auch in diesem Genre literarische Qualität ist. Um Leseanfänger für ein Buch zu gewinnen, stehen den Autoren ja nur wenige Mittel zur Verfügung. Diese dann so geschickt einzusetzen, dass dramaturgisch gut erzählte Geschichten entstehen, erfordert ein hohes Maß an Kreativität und Präzision. Als erster, vollkommen eigenständiger Literaturkontakt muss ein Erstlesebuch vor allem auch gut unterhalten, Neugier wecken und zum Weiterlesen animieren.”
Ein willkommener Anlass, um zu schauen: Was tut sich im Bereich der Erstleseliteratur, welche neuen Reihen gibt es und welche Gedanken machen sich erfahrene Autor/innen und Illustrator/innen, die für dieses Segment künstlerisch arbeiten? Antje Ehmann hat für den Borromäusverein fünf Kreative zu ihrer Arbeit befragt und stellt Ihnen Ihre Erstlesebücher vor.
Schreiben Sie uns, wie es Ihnen gefallen hat. Ihre Ulrike Fink, Redaktion
Christian Seltmann - Kommissar Ping und das Kaugummi-Geheimnis
Verlag: Arena
Was ist Ihnen wichtig beim Schreiben für diese spezielle Zielgruppe?
Also, ehrlich gesagt, schreibe ich gar nicht für Kinder, sondern in erster Linie für mich. Ich habe an die Zeit, als ich zwischen sechs und zehn Jahren alt war, so intensive Erinnerungen, dass ich für mich in
diesem Alter schreibe. In dieser Zeit ist das Reale und das Phantastische ja noch ganz dicht beieinander. Als Junge habe ich jeden Stein umgedreht und darunter geschaut. Das tue ich auch heute noch beim Schreiben. Hat ein Wort mehrere Bedeutungen, muss ich die erforschen. Wenn ein Wort komisch klingt, inspiriert mich das, damit zu spielen. Das macht mir Spaß und deshalb schreibe ich Erstlesebücher.
Wie ist es, mit den Vorgaben - Zeichenzahl etc. - zurechtzukommen?
Diese Vorgaben sind sehr hilfreich - meistens jedenfalls. Meiner Meinung nach muss man auch in formaler Hinsicht das Rad nicht immer neu erfinden. Ein Sonett ist ein Sonett und ein Buch für Erstleser hat eben so um die fünfeinhalbtausend Anschläge etc. Durch strenge Formen ist auch schon viel Schönes entstanden. Mein Erstlesebuch „Kommissar Ping und das Kaugummi-Geheimnis” wirkt erst durch die formale Strenge und die Verknappung so irrwitzig und cool.
Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihren Veranstaltungen mit diesem Buch gemacht?
Bei diesen Veranstaltungen steht weniger im Mittelpunkt, dass ich den Kindern meine Bücher präsentiere. Es geht vielmehr darum, dass wir live gemeinsam ein Hörspiel produzieren. Das ist eine ziemlich vielschichtige Erfahrung für die Kinder. Sie sind immer sehr bei der Sache, erstaunlich diszipliniert und bei manchen Kindern habe ich den Eindruck, dass sie das erste Mal begreifen, welch großen Einfluss ihre Interaktion hat. Für das ungefähr zehnminütige Hörspiel mit Musik und Geräuschen machen die Kinder verschiedene Laute, sind mucksmäuschenstill und dann wieder ganz laut. Sie begreifen dabei, welche Kraft Stille haben kann, wie komisch es zum Beispiel sein kann, nichts zu machen, und sind am Ende immer ziemlich begeistert von ihrer Leistung. Mittlerweile mache ich diese Art von Veranstaltung auch zu dem „kleinen Ritter Kurz von Knapp”.
Reiheninformation: Der Bücherbär, Allererstes Lesen, Vorschule / 1. Klasse, in Zusammenarbeit mit dem Westermann Schulbuchverlag
Almud Kunert - Illustrationen zu „Spuk auf Burg Finsterfels”
Verlag: Duden
Welche Bücher haben Sie als Leseanfängerin gelesen?
Ich hatte viele Bilderbücher und erinnere mich vor allem daran, dass ich viele Comics gelesen habe. Mickey Maus natürlich und Asterix. Das war selbstverständlich und neben
vielen Abenteuer- und Detektivgeschichten meine literarische Grundausbildung. „Die Höhlenkinder” von A.T. Sonnleitner sind mir wegen der eigenartig schweren Stimmung und der akribischen Zeichnungnen stark in Erinnerung geblieben. Aber dieses Buch habe ich sicher erst entdeckt, als ich schon lesen konnte.
In welcher Technik arbeiten Sie bei „Spuk auf Burg Finsterfels” und wie gehen Sie beim Illustrieren vor?
Bei diesem Erstlesebuch habe ich mit Buntstiften und Aquarellfarben gearbeitet. Zunächst lege ich das Aussehen der Figuren fest. Ich mache mir Zeichnungen, die ich mir an die Wand vor meinem Schreibtisch hänge. So weiß ich das ganze Buch hindurch, wie Paul, Lina, Sofie und Jonas aussehen müssen und verhindere, dass mir Fehler passieren. Dann muss der Text so geschoben werden, dass an den spannenden Stellen auf jeden Fall Bilder auftauchen. Diese zeichne ich mir grob vor, präszisiere sie, pause sie dann auf dickeres und besser für Aquarellfarben geeignetes Papier durch und male alles bunt an.
Sie illustrieren Bilderbücher, Liederbücher und gestalten Cover für Kinderbücher. Worin bestehen da für Sie die Unterschiede?
Bei Erstlesebüchern müssen die Bilder sehr klar und einfach sein. Sie geben oft in sehr kleinen Schritten den Textvorgang wieder und sind, wenn man so will, Erholungspausen. Das „Erstlesen” ist eine anstrengende Sache für Kinder und so helfen die Bilder unbewusst bei der schnellen Sinnerfassung, noch bevor man die Wörter ganz entschlüsselt hat. Ein Bilderbuch muss rundum gestaltet werden, da es ja in der Hauptsache vom Optischen getragen wird. Das ist nicht immer leicht und dabei sind mir die Projekte, die mir die größte Gestaltungsfreiheit lassen, die liebsten. Beim Liederbuch stellt sich die Sache noch einmal anders dar: Diese Arbeit ist sehr abwechslungsreich, dreht sich doch jedes Lied um ein vollkommen anderes Thema. So kann ich mittendrin zu den Texten beginnen, zu denen ich sofort eine Idee habe. Im Laufe der Arbeit fällt mir dann auch noch etwas zu den schwierigeren Fällen ein - das gefällt mir eigentlich sehr gut als Arbeitsweise.
Reiheninformationen: DUDEN Leseprofi, 2. Klasse, pädagogische Fachberatung: Ulrike Holzwarth-Raether
Kathrin Köller: Fliegen! Von schnellen Vögeln und tollen Fliegern
Verlag: Ueberreuter
Wie sind Sie als Herausgeberin und Autorin auf die Idee zu der Sachbuchreihe für Erstleser "Leseforscher" gekommen?
Mit Beginn des Grundschulalters wächst die Neugier und Kinder haben 1000 Fragen und Spaß am Erforschen der Welt. Es gibt tolle Wissenssendungen, die sie in ihrem Forschergeist bestärken, aber Lesen lernen
steht oft auf einem anderen Blatt. Dabei ist Lesen eines der Hauptwerkzeuge, um an all die spannenden Inhalte zu kommen. Also dachte ich, es muss doch möglich sein, Bücher für Leseanfänger zu entwickeln, die diese Forscherfreude nutzen und gleichzeitig die Lust am Lesen vermitteln. Spannende Informationen in einer kindgerechten Ansprache, die immer wieder zu schnellen Leseerfolgen führt. Und plötzlich stand der Forscherfuchs im Raum.
Welche Art der Zusammenarbeit gab es mit der Illustratorin Julia Dürr und dem Grafikbüro finedesign?
Die Zusammenarbeit zwischen Julia Dürr, den finedesignern und meiner Lektorin Emily Huggins ist wunderbar interaktiv, da wir uns alle gemeinsam dem Anspruch verschrieben haben, jede Doppelseite so abwechslungsreich und ansprechend wie möglich zu gestalten. Kinder, die im digitalen Zeitalter aufwachsen, erwarten von Büchern, dass sie vielfätig unterhalten werden, es möglich ist, hier mal anzuklicken und dort mal reinlesen zu können. Die Leseforscher begegnen dieser Herausforderung mit einem Mix aus tollen Fotos, kurzen Textpassagen, verschmitzen Illustrationen und Comic-Elementen. Mit von der Partie ist natürlich immer der neugierige und fröhliche Forscherfuchs.
Sechs Bände zu den Themen Tanz, Feuer, Burgen etc. sind bereits erschienen. Welche neuen Themen sind momentan in Arbeit?
Auch im nächsten Frühjahr ist Filu wieder mehrfach auf Abenteuerreise. Im neuen A-Band „Natur! Durch Flüsse, Wüsten, Regenwälder” treffen wir ihn unter anderem im Wattenmehr, wo er sich mit dem Mond über Ebbe und Flut unterhält. Im B-Band geht es gleich „Vollgas! Mit Rädern, Rudern und Motoren” so richtig ab. Filu baut sich eine Dampfmaschine, fährt mit der Schwebebahn durch Wuppertal und rudert in weniger als 80 Tagen um die Welt.
Reiheninformation: Leseforscher entdecken - staunen - lesen lernen ABC, Sachbuchreihe: Lesestufe A B C
Melanie Garanin - Illustrationen zu „Herr Hempel will auch in die Schule”
Verlag: cbj
Was ist das Besondere an der Erstlesereihe „Schau mal, wer da spricht!”?
Das Besondere an dieser Reihe ist, dass der Text hauptsächlich in Dialogform geschrieben ist. Das ist im Grunde wie bei einem Theaterstück. Dadurch, dass zu Beginn der gesprochenen Sätze
eine kleine Vignette abgebildet ist, weiß man sofort, wer was sagt. So entfallen Anführungszeichen oben, Anführungszeichen unten, Doppelpunkte und komplizierte Satzgebilde. Ich finde, die Geschichte gewinnt und wird schön lebendig dadurch.
Wie entwickeln Sie ihre Figuren und entscheiden sich, welche Szenen sie illustrieren?
Ich mache mir ein paar kleine Skizzen, denke mir möglichste neue Frisuren aus und frage dann meine Lektorin, wie sie das findet. Meistens muss ich die Kleidung ändern, da ich eine Vorliebe für brav angezogene Kinder mit Krägelchen, Lackschuhen und Kniestrümpfen habe. Das kommt allerdings meistens nicht so gut an! Sehr gerne zeichne ich lustige Szenen und Situationen, in denen etwas Spannendes passiert. Wenn irgendwo ein Pferd erwähnt wird, kann man sicher sein, dass ich mich für diese Szene entscheide, sei es noch so ein kleiner, unwichtiger Nebensatz. Dagegen achte ich sehr darauf, dass ich keine Autos, Mehrfamilienhäuser in perspektivischer Ansicht oder technische Geräte zeichnen muss.
Was reizt sie besonders daran, für diese Lesergruppe zu arbeiten?
Ich habe sehr viele Erstlesebücher illustriert, als meine eigenen Kinder in diesem Alter waren. In erster Linie mag ich den vereinfachten Schreibstil. Kurze Sätze, keine Fremdwörter und lieber weniger als mehr. Meine Zeichnungen dürfen in Erstlesebüchern immer schön bunt und lebendig sein. Auch das schätze ich sehr. Aber mittlerweile illustriere ich auch Bücher für ältere Kinder in schwarz-weiß. Ich bin da eigentlich nicht festgelegt.
Reiheninformation: Schau mal, wer da spricht!, ab 6 Jahren
Martin Klein: Drache Schulze und der oberfiese König Schmidt
Verlag: Ravensburger
Wie wichtig ist Ihnen der Humor beim Schreiben von Erstlesebüchern?
Mit ist vieles, was man unter dem weiten Begriff des Humors zusammenfassen kann, als Bestandteil von Erstlesebüchern wichtig. Es macht eben mehr Spaß, etwas Lustiges zu lesen, und so macht es sicherlich
auf mehr Spaß, mit einer zumindest teilweise lustigen Geschichte lesen zu lernen. Eine lustige Erstlesegeschichte zu schreiben, ist aber nicht so leicht, wie es vielleicht scheinen mag. Die Herausforderung besteht darin, nicht banal zu sein. Das Abrutschen in die totale Banalität ist in diesem Format ohnehin das größte Risiko. Wir Verfasser von Erstlesegeschichten sollten tunlichst alles, was wir an erzählerischen Fähigkeiten haben, einsetzen, um das zu vermeiden.
Was ist das Besondere an der Erstlesereihe Leserabe „Lesen lernen mit Comics”?
Das Besondere daran sind die Verbindung von einem recht komplexen Fliesstext mit Comic-Sequenzen und die relative Unabhängigkeit dieser zwei Elemente voneinander. Das dieser Vorgehensweise zugrunde liegende didaktische Konzept sieht vor, dass die Sprechblasentexte von dem Erstleserkind vorgetragen werden, der Fliesstext während dessen von einem Leseprofi - also entweder dem Erwachsenen oder einem älteren Geschwisterkind - vorgelesen wird. Dies ist grundsätzlich keine brandneue Idee. Ich finde die Leseraben-Comic-Version aber deutlich origineller, weil sie nicht so offenkundig didaktisch daherkommt. Außerdem ist solch ein Comic-Fliesstext-Mix meines Erachtens wirklich eine interessante Literaturvariante.
Welche Geschichte für Erstleser liegt gerade auf Ihrem Schreibtisch?
Ich beende gerade eine Erstlesergeschichte, in der ein Postdiebstahl und die Polizei eine Rolle spielen. Vermutlich wird diese Geschichte unter dem Titel „Polizeigeschichten” oder ähnlichem erscheinen. Ich hätte das sicher nicht so entschieden, aber als Autor von Erstlesegeschichten muss man sich mit diesen thematischen Titel-Dogmen abfinden. Ich gehe weiterhin davon aus, dass die Marketingstrategien der Kinderbuchverlage wirtschaftlich gesehen damit eher richtig als falsch liegen. Doch ab und zu kommen mir auch Zweifel.
Reiheninformation: Leserabe, Lesespaß für Dich und mich, Lesen lernen mit Comics
Antje Ehmann
November 2015
Kontakt über die Redaktion
Von der Autorin empfohlen:
Julit, Ausgabe 2/2015 zum Thema Erstleser. Zeitschrift der AKJ
Leseglück. Wie lernt mein Kind lesen? Ein Ratgeber zum leichten Lesenlernen. Arena Verlag, 583003