Die bizarre Welt der Ernährungsratgeber

oder Wie es gelang, ein Stück Buttercremetorte in diese Welt zu integrieren

Locker und humorvoll führt die Autorin in die Welt der Ratgeber ein. Achten Sie vor allem auf die jeweiligen Fußnoten des Textes. Schmunzeln garantiert! Viel Vergnügen bei der Lektüre und schreiben Sie mir, wie es Ihnen gefallen hat. Ihre Ulrike Fink, Redaktion

von Jutta Weber

Um eins gleich vorweg zu nehmen: Ich bin keine Elfe! Eher eine ‚Zwölfe‘ – oder wie meine Freundin einst meinte: “Irgendwann muss sich eine Frau entscheiden: Ziege oder Putte!“ Ich habe mich mehr oder weniger freiwillig für Letzteres entschieden. Und würde ich zur Zeit Peter Paul Rubens leben, wäre ich ein Topmodel!

Aber es hat schon etwas von Selbstgeißelung, wenn kurz vor Weihnachten eine große Kiste mit Ernährungsratgebern ankommt, die zum Teil rezensiert, aber alle begutachtet werden wollen. Also erst mal in die Ecke damit und die Feiertage genießen. Zwischen den Jahren gab es aber kein Halten mehr und nachdem eins der letzten Stücke ‚Frankfurter Kranz‘ auf meinem Teller lag, habe ich mir die Bücher vorgenommen. Die ‚24Stundendiät‘, warum mit GLYX Stress nicht länger dick macht, eine ‚Köstliche Revolution‘, die ‚Schoko-Diät‘, ‚Warum Bratkartoffeln schlank machen‘ und mein Favorit ‚Die Steinzeitdiät‘ – mindestens sechs Gründe also, noch einen Kaffee zu kochen und mal in aller Ruhe über die Buttercreme und den Teig des Stückes Kuchen nachzudenken. Und ganz besonders über den selbstgemachten Mandelkrokant außen rum!

Mammut oder Grünzeug futtern

Wir haben es in den letzten Tagen, Wochen, Monaten – nein, mittlerweile sind es Jahre, vielleicht nicht gelernt, aber mit Sicherheit gehört oder gelesen: Das Essen bringt uns um! Kohlenhydrate sind schlecht, Fette sind selten gut, aber meistens böse, und Eiweiß, wer braucht schon Eiweiß? Doch, halt, der Mammutjäger, der braucht das! Weil Marmelade eben keine Kraft gibt, läuft er den ganzen Tag durch die Wälder und jagt Mammuts! Dann, und nur dann darf er es auch komplett verputzen! Wir „In-der-Höhle-Sitzer-und-Abwarter“ bekommen noch nicht mal eine Keule und müssen uns mit Nüssen, Kräutern und Blättern über Wasser halten.

Und hier kommen – ich habe es immer gewusst - die Gene ins Spiel!! Weil wir nämlich genetisch und entwicklungsgeschichtlich so programmiert sind, zu essen, wenn zu Essen da ist - damit man für die großen Hungerzeiten gewappnet ist - und uns so wenig wie möglich zu bewegen, damit man lange von den Vorräten zehren kann, essen wir eben und bewegen uns besser mal nicht! Und weil nämlich heutzutage meistens etwas zu Essen da ist (fast hat man den Eindruck, es läuft hinter uns her), essen wir eben meistens. Man weiß ja nie so ganz genau, wann die nächste Hungersnot beginnt. Das war vor 40.000 Jahren so und so ist es auch noch heute!
 

Sind deren Tage länger als meine?

Aber schon kommt da Herr Sam, Adam Sam, mit seiner ‚24Stundendiät‘ daher, der sagt, dass überschüssig aufgenommenes Fett ungebremst in die Fettdepots des Körpers wandert. Hm, irgendwas ist in Amerika und Schweden anders als bei uns in ‚Good Old Germany‘. Damit diese ungebremste Fettwanderung nicht passiert, bewegt er sich die meiste Zeit des Tages. Ist ja auch gar kein Problem, das können doch die meisten von uns! Vor der Arbeit, während und danach – ja, das hätte dann den Vorteil, dass man gar nicht zum Essen kommt, weil man gar keine Zeit mehr hat, etwas vorzubereiten oder gar herzustellen. Und da jegliches Fastfood verpönt ist, ist doch alles gut! Problem – so man denn eins hatte - im Griff!

Ganz ehrlich, ich weiß nicht, wie diese Autoren das alles ohne Einkäufer und Koch schaffen. Sie gaukeln mir zumindest vor, dass sie es tun. Sind deren Tage länger als meine? Ich kann froh sein, dass mittlerweile die Ladenöffnungszeiten deutlich über 18.00 Uhr hinausgehen, damit ich meine Einkäufe tätigen kann. Dann hab ich aber immer noch nichts ‚Warmes‘ auf dem Tisch – und ja, sehr geehrte Autoren der GLYX-Ratgeber und Abnehmen-im-Schlaf-Propagierer, es ist dann deutlich nach 18.00 Uhr! Egal ob mit oder ohne Kohlenhydrate. Und so lange das Tippen auf Tastaturen, schleppen von Büchern und deren Kisten, ‚Feudelschwingen‘ und Staubsaugen nicht als sportliche Disziplin gewertet wird, wird es knapp mit der täglichen Bewegung.

Schokolade zum Genuss

Gott-sei-Dank gibt es aber auch noch Frau Moschners ‚Schoko-Diät‘ und den sehr geschätzten Ratgeber der Damen Schocke und Steinbach ‚Warum Bratkartoffeln schlank machen‘, das neue Kohlenhydrat-Prinzip. Jetzt mal ehrlich: Wurde das nicht Zeit? Zu allem anderen ist doch wirklich schon genug geschrieben worden und es erstaunt einen schon, was so alles aus dem Schuh gezogen wird, wenn Neuigkeiten ausbleiben – Auto die Einfahrt hochziehen …

Beginnen wir mit der Schoko-Diät, deren Namen sich mir noch nicht so richtig erschlossen hat, außer dass mir zugestanden wird, zu naschen, was definitiv etwas mit genießen zu tun hat (3)! Und dass ich ein Vollmilchschokoladen-Typ bin. Und dass man sich hier einen Umstand zu Nutze macht, dass die reine Schokolade, bzw. die Kakaobohne nichts mit süß zu tun hat. Haben Sie schon mal eine Kakaobohne zerbissen? Das hat wenig mit Spaß oder Genuss zu tun und man versteht sofort, warum Papst Gregor XIII. seinerzeit (also irgendwann während seiner ‚Regentschaft‘ 1572 – 1585) keine Probleme damit hatte, sie erstens als Getränkgrundlage zu sehen, weil sie als Speise zu bitter war und sie zweitens aus diesem Grund nicht aus der Fastenzeit verbannt werden musste (4). Er hätte es sich nochmal überlegt, wenn er damals einen ‚Truthahn in Mole (5) ‘ (Truthahn in Schokoladensoße) gekannt hätte! Zum Niederknien!! Und wenn er den Umstand gekannt hätte, dass Schokolade glücklich macht … Aber ich schweife ab … und nachher kommt noch irgendjemand auf die Idee, ICH sei ein Genussmensch.

Ich habe immer geglaubt, dass es so etwas wie eine ‚Essenskultur‘ gibt, die über Hochzeitsfeiern oder Geburtstage oder andere Festivitäten hinaus geht. Dass es etwas mit Kultur zu tun hat, sich bei einem gepflegten Essen zusammenzusetzen und sich Zeit nehmen für Gespräche – ob mit der Familie oder Freunden. Da erscheint es mir doch sehr befremdlich, dass es Überlegungen gibt, Wohnungen ohne Küchen anzubieten, weil nicht mehr gekocht wird und das gemeinsame Essen – wenn es denn stattfindet – im Wohnzimmer vor dem Fernseher ‚zelebriert‘ wird. Auf der anderen Seite gibt es so viele Kochsendungen wie noch nie. Töpfe, Herde und Kochutensilien, ohne die man angeblich nicht leben kann, konkurrieren mit Low Fat- und Low Carb-Produkten, ohne die ich sehr gerne leben will.

Eine Trennkost-Torte

Womit ich umgehend wieder bei dem Stück ‚Frankfurter Kranz‘ gelandet wäre. Es muss doch auch diesem Stück Kuchen etwas Positives abzugewinnen sein …

Also: Ganz neutral und völlig unvoreingenommen betrachtet, besteht so ein Stück ‚Frankfurter Kranz‘ eigentlich nur aus Fett (guter Butter und dem guten Fett der Mandeln) und Kohlenhydraten – wenn man die Eier aus dem Teig und das klitzekleine bisschen Eiweiß aus der Milch im Pudding außer Acht lässt. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass man statt drei ganzer Eier auch vier oder fünf Eigelbe nehmen und man somit auf das Eiweiß verzichten könnte, und – voilà – schon ist eine Trennkost-Torte entstanden! Aber das ist ein ganz anderes Thema!!

Jutta Weber
15. Januar 2014

Anmerkungen (ja, tatsächlich!)

(1)  S. 108 ‚Die Steinzeitdiät‘: „Sportliche Betätigung  Stemmen Sie im Fitnessstudio oder zu Hause Gewichte. Ich binde gern ein Seil an meinen Range Rover und versuche, den Wagen zu ziehen, als würde ich von der Jagd kommen und ein erlegtes Tier hinter mir her schleifen. Ich ziehe ihn fast jede Woche mehrfach zur Hälfte meine Auffahrt hinauf. Manchmal zieht auch meine Frau den Wagen ein Stück vorwärts.“ Bitteeee!!!!

(2)  Arthur de Vany, US-Prof., ‘Die Steinzeitdiät’ und Andreas Eenfeldt, schwed. Arzt, ‚Köstliche Revolution'

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(3) Aber das wird sich ändern, da dieser Ratgeber noch ausführlich in der Rezension besprochen wird. Sie dürfen gespannt sein.

(4) Schließlich wusste noch nicht mal Christoph Kolumbus, welchen Schatz er an Bord geholt hatte, als er auf seiner vierten Mittelamerikareise 1502 ein vollbeladenes Handelskanu der Maya kaperte und Besatzung und Ladung auf seine Karavelle bringen ließ. Stutzig machte ihn zwar der Umstand, dass jedes Mal, wenn eine Kakaobohne zu Boden fiel, gleich mehrere Eingeborene sich bückten, um sie aufzuheben – aber warum das so war, blieb ihm mangels Dolmetscher verborgen.

(5) Ein traditionelles mexikanisches Rezept, wobei der Truthahn in der Zubereitung der einfachste Part ist. Die Soße erfordert einiges an Zutaten und Geduld, aber das Ergebnis ist ein Traum!

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