Von literarischen Düften
Wohl kaum einer vor ihm hat so betörend über die Macht der Düfte geschrieben. Die Rede ist von Patrick Süskind. Sein Roman „Das Parfüm“ erschien 1985 und wurde ein Welterfolg: in 47 Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage beläuft sich auf ca. 20 Millionen verkaufte Exemplare, der Kinofilm war ebenfalls ein großer Erfolg.
Der Roman erzählt die Geschichte des Jean-Baptiste Grenouille, der in der Mitte des 18. Jh. in Paris geboren wird und über einen genialen Geruchssinn verfügt. Das Paris in dieser Zeit war ein großes Geruchsrevier, das vom Gestank des Fischmarktes (auf dem Grenouille geboren wurde) bis zu den Düften der reichen Vorstädte einer feinen Nase eine Fülle von Reizen bot, sodass sich im heranwachsenden Grenouille ein besonderes Talent ausbildete. Die Fähigkeit, Düfte und Gerüche in die kleinsten Bestandteile zu zerlegen, bestimmt Grenouilles Karriere vom Gerberlehrling bis zum Angestellten des Pariser Parfumeurs Guiseppe Baldini. Seine Leidenschaft, betörende Düfte zu komponieren, lässt ihn schließlich zum Mädchenmörder werden, um aus deren Körperdüften das perfekte Parfum herzustellen. Mittels dieser Gabe gelingt es ihm sogar noch, jene Menschenmenge zu betören, die sich zu seiner Hinrichtung als Mädchenmörder versammelt hat.
Möglicherweise gründet sich auf diese Fähigkeit die Faszination des Romans. In der Kunst, Düfte zu komponieren, die den Verstand des Menschen ausschalten und ihn in der Tiefe seiner Seele berühren, entdeckt man den Wunsch jeder Kunstform, ob Literatur, Malerei oder Film, das Innere des Menschen zu erreichen, ihn in seinem Fühlen zu reizen, und eben nicht nur seinen Kopf zu beschäftigen.
Lange Zeit galt der Roman als nicht verfilmbar. Doch 2006 gelang es schließlich Tom Tykwer, den Stoff unter dem Titel „Das Parfum – Geschichte eines Mörders“ zu verfilmen. Süskind hatte lange gezögert, die Filmrechte zu verkaufen.
Im letzten Jahr zeigte ZDFneo eine sechsteilige Crime-Serie „Parfum“, die eine Weiterentwicklung der Romanvorlage ist. Die Handlung der Serie spielt nicht mehr in den Gassen von Paris oder des südfranzösischen Städtchens Grasse im 18. Jh. sondern in der niederrheinischen Provinz. Die Handlung dreht sich um die Ermittlungen im Mordfall an der rothaarigen Sängerin K, die die Profilerin Nadja zu den Schülern eines katholischen Internats führt, die nach der Lektüre des Romans dem Mysterium des menschlichen Duftes nachgehen und so dem Geruchsgenie Grenouille nacheifern.
„Das Parfüm“ ist das bei weitem bekannteste Werk Süskinds. Er debütierte 1981 mit dem Ein-Mann-Theaterstück „Der Kontrabaß“ und wirkte vor allem auch an den Drehbüchern von „Monaco Franze“ und „Kir Royal“ mit. Im März 2019 erscheint bei Diogenes sein neuestes Werk „Ein Kampf" illustriert von Jean-Jaques Sempé.
Obwohl Süskinds Werke so bekannt sind, ist er selbst so gut wie nie in den Medien präsent. Er gibt keine Interviews, keine Lesungen, es gibt nur wenige Fotos von ihm. Auch zu den Premieren der Filme, an denen er beteiligt war, erschien er nicht. Damit gilt er Germanisten inzwischen als Prototyp des postmodernen Autors, dessen literarische Texte für sich selbst sprechen und weniger als Rede eines Autors gelten sollen, über die ihr Schöpfer zudem absolute Deutungshoheit reklamiert.
Ob diese Interpretation zutrifft oder ob Süskind nur keine Lust auf den medialen Rummel hat, dem sich heute viele Autoren aussetzen und ausgesetzt sehen, sei dahingestellt. Der Schöpfer eines der betörendsten Romane der Nachkriegszeit wird am 26. März 70 Jahre alt.
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