Vorstellung norwegischer Kinderliteratur

Von Antje Ehmann

Vielen fällt sofort Jostein Garder mit „Sofies Welt - Roman über die Geschichte der Philosophie“ ein, das 1993 ins Deutsche übersetzt und ein Bestseller wurde. Ein Streifzug durch die kinderliterarischen Neuerscheinungen des diesjährigen Ehrengastes der internationalen Frankfurter Buchmesse zeigt, wie vielfältig und künstlerisch interessant die Werke der nordischen Autor*Innen und Illustrator*Innen sind.

 

Alice Lima de Faria hat mit ihrem Bilderbuchdebüt „Ich war´s nicht! sagt Robinhund“ den Bilderbuchpreis Huckepack 2018 bekommen. Nun legt die Illustratorin und ein außergewöhnliches Werk für Kinder ab vier Jahren vor. Eine Fledermaus namens Flapps und ihr bester Freund Mark sind mit von der Partie. Und um eine Party geht es. Nicht leicht für eine Fledermaus, die doch eigentlich tagsüber tief und fest schläft. Doch es gibt ein Happy-End und Rettung in letzter Minute. „Mir war es wichtig, eine Geschichte zu erzählen, von jemandem, der sich nicht richtig passend fühlt. Der Vorteil an Büchereien ist, dass sie Eltern gut beraten können, wenn sie auf der Suche nach so einem Bilderbuch sind“, sagt die Autorin. Wie de Faria die schrägen Vögel und die neugierige, dunkel-struppige Fledermaus darstellt, ist einfach großartig und ihr Farbgespür ist dabei auch kaum zu übertreffen.

 

Po

Ähnlich aufregend geht es bei Anne Fiske zu „Alle haben einen Po“ - so lautet der Titel ihres frechen Sachbuches in dem sich alles rund um den Körper dreht. Sie zeigt Körperhaltungen, die bestimmte Gefühle ausdrücken, gibt Hygienetipps oder macht anhand von vielen humorvollen Beispielen klar, wie unterschiedlich Körper sein können. „Ich habe Anne Fiske vor wenigen Jahren in Norwegen erlebt und war damals sehr angetan von der Art, wie sie mit dem überwiegend jungem Publikum umging. Nun freue ich mich auf ein Kennenlernen und mindestens zwei gemeinsamen Veranstaltungen während der Buchmesse in Schulbibliotheken mit dem Buch“, so Übersetzerin Ina Kronenburger.

 

Emil

Auch wenn Anke Kuhl, die ebenfalls für ihre frechen Illustrationen bekannt ist, leider nur das Cover gestaltet hat, überzeugt Marianne Kaurin mit ihrer Kindergeschichte „Emil und die Prinzessin aus dem Nachbarhaus“. Neun Jahre alt ist Emil Svantesen und über beide Ohren verliebt, obwohl in Mädchen bisher nicht sonderlich interessiert haben, aber mit Florine ist alles anders. „Mir hat vor allem imponiert, dass der zartfühlende Emil und seine Verliebtheitsverzauberung so einfühlsam und mit Ernsthaftigkeit beschrieben wird“, so die Ilustratorin. „Aber ich bin sowieso ein großer Fan skandinavischer Kinderliteratur. Dort findet sich ja oft ein Erzählton, der das ganze menschliche Gefühlsspektrum auch Kindern zutraut und es in realistischer und zugleich berührender Weise ausdrückt.“

 

Hans sticht in See

Ein Gefühl kompletter Verzweiflung hat Hans im Griff. Die Hauptfigur, die sich Oyvind Torseter für seine Graphic Novel „Hans sticht in See - Die Irrfahrt und Heimkehr eines mittellosen Burschen auf der Suche nach dem Glück“ ausgesucht hat, steht vor dem persönlichen Ruin. In der Hafenkneipe wird er von einem seltsamen Herrn angesprochen, der ihm von einem ungewöhnlichen Auftrag erzählt, bei dem er 70 000 Kronen bekommen könnte. Er sagt zu und sticht in See. Leinen los! „Das vorherige Buch basierte locker auf einem norwegischen Märchen. Das habe ich als Ausgangspunkt für die Geschichte genommen. Nun gehört die Geschichte eher ganz mir und handelt von einer Seefahrt,“ so der vielfach ausgezeichnete norwegische Künstler. Wie immer beginnt er mit den Zeichnungen und entwickelt dann nach und nach die Handlung und die Figuren.

 

Peer Gynt

Eine Figur, die in Norwegen sehr bekannt ist - das ist „Peer Gynt“. Marko Simsa und Doris Eisenburger haben sich für ein neues Bilderbuch mit Begleit-CD in der Reihe „Das musikalische Bilderbuch“ mit dem Schauspiel von Henrik Ibsen auseinandergesetzt. „Ich kannte die Peer Gynt Suiten von Grieg, aber nicht das Theaterstück von Ibsen. Das habe ich erst später gelesen“, so die Illustratorin. Die beiden sind ein eingespieltes Team und diesmal kam die Konzeptidee von Eisenburger. „Ich fand, dass auch die Geschichte erzählt werden müsste, da es ja ursprünglich eine 26teilige Schauspielmusik war und Ibsens Theaterstück ein Kulturgut ist“, so erläutert sie den kreativen Prozess. Kinder ab sechs Jahren bekommen einen umfassenden Eindruck beim Vorlesen und Zuhören - auch dank der zarten Illustrationen und Erwachsene erkennen bestimmt das ein oder andere Stück - so etwa die „Morgenstimmung“.

 

Ein Bruder zu viel

Linde Hagerup hat mit „Ein Bruder zu viel“ eine eindringliche Geschichte geschrieben, die ihren Anlass in einer sehr persönlichen Erfahrung hatte. „Einer meiner besten Freunde ist plötzlich verstorben. Das hat mich in eine tiefe Krise gestürzt. Ich habe dann irgendwann überlegt, wie das wohl auf meinen damals 14 jährigen Sohn gewirkt haben mag. Also hatte ich die Grundidee für mein Buch - wie erlebt es ein Kind, wenn der Erwachsene nicht mehr in der Lage ist, wie gewohnt zu funktionieren?“, so Hagerup. Mit dem Kind Steinar und der Geschwisterkonstellation hat sie die Grundidee für ihr Kinderbuchdebüt dann weiterentwickelt. Dank der Illustrationen von Felicitas Horstschäfer in zwei Sonderfarben Gelb und Blau ist das Buch auch optisch ein Gewinn. „Die knappe, direkte Sprache gefällt mir sehr und ich habe mir parallel zum Lesen gleich Skizzen gemacht,“ erinnert sie sich.

 

Manchmal kommt Glück in Gummistiefeln

Manche Kinder, die „Waffelherzen an der Angel“ mochten können sich auf ein Wiedersehen mit Trille und Lena freuen. Maria Parr legt nach und „Manchmal kommt Glück in Gummistiefeln“ ist wieder ein großes, warmherziges Lesevergnügen. Die norwegische Kinderbuch-autorin lebt an der Westküste Norwegens und manche ihrer Figuren basieren auf Geschichten, die sie für ihre Geschwister erfunden hat, als sie alle klein waren. In Knerth-Mathilde gibt es Veränderungen. Ein neuer Fußballtrainer und ein neues Mädchen - was bedeutet das für die beiden 12-jährigen Freunde? „Ich hatte nie gedacht, dass ich noch mehr über Trille und Lena schreiben würde, es hat sich angefühlt, wie wenn man alte Freunde nach vielen Jahren wiedertrifft,“ so die Autorin. Auf der Buchmesse wird sie auch zu Gast sein. „Es freut mich, dass so die norwegische Literatur sichtbarer wird,“ ergänzt Parr noch.

 

Garmans Straße

Stian Hole war schon mehrmals in Deutschland und Frankfurt zu Gast. Der vielfach ausgezeichnete norwegische Illustrator und Autor begeistert seit Jahren mit seinen außergewöhnlichen Bildwelten. "Garmans Straße" ist das zweite Bilderbuch einer Trilogie - Garmans Sommer, Garmans Straße und Garmans Geheimnis. „Ich bemerkte die Angst, die mein sechsjähriger Sohn hatte, in dem Jahr, als er in die Schule kam. Ich wollte genau diese Gefühl erkunden - wenn etwas zu Ende geht und etwas Neues beginnt“, so Hole. Seine aufregenden und aufwendigen Collagen prägen all seine Werke. Hole sagt: „Dank der Büchereien haben auch meine Bilderbücher eine Chance. Die Buchhandungen in Norwegen setzen meist auf Klassiker, denn die Eltern kaufen oft die Bücher, die sie schon als Kinder vorgelesen bekommen haben. Vielen ist nicht klar, wie wundervoll, lebendig und vielseitig die aktuelle norwegische Kinderliteratur ist. Aber dank der Büchereien finden doch auch unkonventionelle Kinderbücher zu den Kindern.“