Fabeln und Märchen in neuem Gewand

Acht Buchvorstellungen

Antje Ehrmann

Über die Zeit hinweg gibt es immer wieder neu illustrierte Ausgaben von Märchen und Fabeln. Antje Ehmann hat acht interessante Bücher ausgewählt und stellt sie Ihnen vor.

Der Kindermann Verlag hat sich im Laufe der vergangenen Jahre einen Namen gemacht. Mit seinem Anliegen, heutigen Kindern die Weltliteratur aus vergangenen Jahrhunderten nahezubringen, liegt der Berliner Verlag auf Erfolgskurs. Manuela Adreani hat sich nun Fabeln gewidmet, genauer gesagt „Äsops Fabeln. Etwa 600 v. Chr. von dem griechischen Dichter geschrieben, sind sie nach wie vor bereichernd und aktuell. „Vermutlich habe ich zum ersten Mal in der Schule eine seiner Fabeln gehört. Ich erinnere mich aber auch, dass meine Mutter mir von ihm erzählt hat - von seinen Gleichnissen, damit ich etwas lerne“, so die Illustratorin. Jede Fabel bekommt eine Doppelseite Raum, die Adreani geschickt zu nutzen weiß. Feinfühlig und harmonisch in der Farbgebung zeigt sie die Tiere und nur einige wenige zusätzliche Details - mal ein Ast oder ein paar Wolken. „Ich liebe es, Tiere zu zeichnen, deshalb war dieser Auftrag ideal für mich“, erzählt Adreani. Und tatsächlich ist es sehr reizvoll, deren ausdrucksstarke Mimik zu entschlüsseln.

Die schönsten Fabeln

Über 40 Fabeln von La Fontaine,Tolstoi, Lessing und sogar Bespielgeschichten aus China, Indien und Tibet sind hier in dieser Neuauflage enthalten. „Die schönsten Fabeln wurden von Käthe Recheis zusammengestellt, neu erzählt und überzeugen in ihrer Fülle und Vielseitigkeit. „Uns ist es wichtig, unsere Backlist zu pflegen, sie immer wieder attraktiv neu zu gestalten und auf diese Weise lebendig zu halten,“ so Lektorin Johanna Storm. Mit einem neuen, leicht veränderten und vor allem farblich anderen Cover in Kombination mit den schwarz-weiß Illustrationen von Monika Laimgruber hat man hier einen Geschichtenschatz in der Hand, der beim Vorlesen viel Gesprächsstoff und Denkanstösse zwischen den Generationen liefern wird.

Die Fabeln von Fausto

Vergleichsweise neu erfunden ist Die Fabel von Fausto, doch der vielseitige und stets überraschende Künstler Oliver Jeffers hat sich diesmal bei der Drucktechnik an der Vergangenheit orientiert. Denn seinem Gefühl nach hätte die Geschichte auch schon vor hundert Jahren geschrieben werden können. Deshalb hat er sich bei dieser Arbeit für eine traditionellen Drucktechnik, die Lithografie, entschieden. Die handgefertigten Mamorpapiere sind auf einer berühmten Steindruckpresse in Paris gedruckt. Worum gehte es? Fausto glaubt, ihm gehöre alles und mit dieser Einstellung will er sich auch das Meer zu eigen machen. Aber leider funktioniert es nicht so, wie er sich das vorstellt und endet tragisch für ihn. „Mich überzeugt an dieser Geschichte die Gleichgültigkeit der Umwelt gegenüber dem Menschen. Wir können nicht ohne die Welt, aber die Welt kann sehr gut ohne uns auskommen. Das bringt die Fabel wunderschön auf den Punkt,“ so Übersetzerin Anna Schaub.

Die Reise seines Lebens

In die Welt der Märchen entführt uns Heinz Janisch, indem er uns gemeinsam mit der Ilustratorin Maja Kastelic in die Welt Hans Christian Andersens mitnimmt, in der Biografie mit dem Titel: „Hans Christian Andersen - Die Reise seines Lebens. Denn wer ist der Mann, der sich die „Prinzessin auf der Erbse“, „Des Kaisers neue Kleider“ oder den „Tölpel-Hans“ ausgedacht hat? „An Hans Christian Andersen fasziniert mich, dass ein Junge, der es schwer hat in seinem Leben, unerschrocken seinen Weg geht, um in Kopenhagen sein Glück zu versuchen. Das ist beeindruckend und tröstlich. Da glaubt einer an sein Glück und findet es  - wie im Märchen“, so der österreichische Autor. Gelungen auch die Rahmenhandlung, in der das siebenjährige Mädchen Elsa während einer Kutschfahrt mit einem Mann ins Gespräch kommt, eben keinem geringeren als mit dem weltberühmten Schriftsteller.

Singende Knochen

Ebenfalls weltberühmt und ihrer Märchen dementsprechend bekannt sind die Brüder Grimm. Geboren 1785 und 1786 in Hanau sind ihre Kinder- und Hausmärchen seit 2005 in das Weltdokumentenerbe der UNESCO aufgenommen. Shaun Tan, vielfach ausgezeichneter und rennomierter australischer Künstler, hat sich von Philip Pullmans Nacherzählungen von 50 Märchen zu einzigartigen Skulpturen inspirieren lassen. “Singende Knochen" zeigt links den Text und rechts auf Bildtafeln die fotografierten Skulpturen dazu. So sieht man etwa den Frosch aus dem Märchen „Der Froschkönig oder Der eiserne Heinrich“ in einem Meer aus Sand, eine große Hexe mit furchterregender Mimik bei „Hänsel und Gretel“ oder zu dem Märchen von „Dornröschen“ ein weibliches Gesicht, dass in einer Rosenblüte ruht.

Mehrdad Zaeri war gezielt auf der Suche nach populären Märchen und so fiel die Wahl nach „Aschenputtel“ nun auf „Dornröschen“. Beide sind in Zusammenarbeit mit seiner Frau Christina Laube entstanden, die Grimm`s Märchen stark gekürzt und verdichtet hat. „Mit der Lasercuttechnik hatte ich beispielsweise die Möglichkeit, auf zwei Seiten die Zweige, Dornen und Stacheln so miteinander zu verhaken, dass ein ungutes Gefühl dabei entsteht,“ so Zaeri. Aber es gibt auch andere Szenen, die sich einprägen: die fliegenden Hüte zur Geburt der langersehnten Königstochter, die unzähligen, roten, aufeinander gestapelten Spinnräder im Feuer oder die Silhuetten des Prinzen und der Prinzessin kurz vor dem Kuss. Großartig, wie Mehrdad Zaeri seine stilsichere Illustration mit der Lasercuttechnik kombiniert und so eine Art Schattentheater im Buchformat kreiert.

Auch Francesca Dell’Orto fasziniert mit ihrer Interpretation, wenn auch in einem ganz anderen Stil. „Ich meine mich zu erinnern, dass mir meine Eltern das Märchen vorgelesen haben. Es nun als Erwachsene wiederzuentdecken und zu bemerken, wie reich und komplex es ist, das ist großartig,“ so die italienische Illustratorin. Ihr Rapunzel hat die barocke Fülle einer Operninszenierung und schafft mit Kalligrafieschrift - eigens von Ruth Gimpel gestaltet-, Ausklappseiten und einer Haarpracht, wie man sie selten in einer Märchenillustration gesehen hat, ein außerordentliches Schauspiel. „Ich mag an „Rapunzel, lass dein Haar herunter!" sehr, wie herausfordernd das Leben sein kann und wie sehr die Liebe uns Kraft gibt, auch die schwierigsten Situationen zu meistern,“ ergänzt Dell’ Orto noch.

Ich will ein Schokocroissant

Deutlich heiterer und frecher kommt die „moderne“ Prinzessin bei Jean-Luc Englebert daher. „Ich will ein Schokocroissant. Sofort!" - schon der Ton des Bilderbuchtitels gibt die Richtung vor. Prinzessin Bertie wacht nach langer Zeit auf und verlässt ihren Turm mit einem Bärenhunger. Auf dem Weg durch das Dorf geht sie zunächst von einem Geschäft zum anderen, bis sie auf eine Horde Kinder trifft. Wie der belgische Illustrator dann die Sache mit den langen, dunklen Haaren der Prinzessin, ihren Dialogen mit den neugierigen Kindern und einer historischen Szenerie, die an den großen Pieter Breughel erinnert, kombiniert - das ist wirklich famos. „Mich hat besonders fasziniert, wie Englebert ohne Bedenken realistische und märchenhafte Elemente mischt und darauf verzichtet, eine moralische Botschaft bei diesem modernen Märchen in den Vordergrund zu stellen“, so Übersetzer Alexander Potyka. Acht Bücher, die es Kindern und Erwachsenen leicht machen, die Welt der Märchen und Fabeln wiederzuentdecken.