Alle wollen Limonade oder: Endlich am Meer! - Ferienlektüren für Kinder und Familien
Was wäre das Reisegepäck ohne ein Buch? Gerade mit Kindern ist die Ferienzeit eine gute Gelegenheit, mal wieder ein neues Buch zur Hand zu nehmen. Und ob man sich daran dann am Urlaubsort oder zu Hause auf dem Balkon erfreut, ist eigentlich gar nicht so wichtig. - Antje Ehmann hat thematisch einschlägige und empfehlenswerte Titel ausgewählt, die Lust auf Sonne und Sommer machen.
„Ferien auf Saltkrokan - Als Tjorven einen Seehund bekam“ - wer kennt ihn nicht den Klassiker von Astrid Lindgren. Neu illustriert von Maria Nilsson Thore liegt er nun großformatig vor und erfreut junge Familien. Wunderbar geeignet, um in Erinnerungen an die eigene Kindheitslektüre zu schwelgen und um sich an den zahlreichen pfiffig-charmanten Illustrationen zu erfreuen. Vor allem die Tiere der beiden Familien sind gut getroffen. „Ich war ungefähr fünf Jahre alt, als ich diese Geschichte im Fernsehen gesehen habe. Ich weiß noch genau, wie tief beeindruckt ich damals war. Vor allem vom Mut der Kinder und auch davon, dass sie alles alleine gemacht haben und so jeden Tag kleine Abenteuer erlebt haben,“ erinnert sich Thore an ihre erste Begegnung mit dem Klassiker, den sie nun in ihrem eigenen Stil illustrieren konnte. Ein weiterer Band „Ein Kaninchen für Pelle“ liegt vor und beide Bände sind auch als Hörbuch, gelesen von Ursula Illert erhältlich.
Ebenfalls besonders illustriert doch für etwas ältere Kinder geeignet ist „Emilio und das Meer“. Die besondere Ausstattung von Iacopo Bruno fällt sofort ins Auge. In gedeckten Farben, Retro-Style und mit ausgesuchter Typografie besticht dieses Buch mit seinem ganz eigenen Bild vom Meer. Auch die historischen Taucheranzüge sind so beeindruckend, dass man all den Zubehör und die Fachbegriffe nicht schnell vergessen wird. Auch das Abenteuer, das Emilio erlebt und wie er die „kostbarste, die weißeste und die reinste“ Perle wieder in ihr Zuhause bringt, wird der Junge lang bewahren. „Das Meer ist ein Ort, an dem ich mich immer sofort zu Hause fühle und das mich schon immer inspiriert hat,“ so Kristina Scharrmacher-Schreiber. „Ich habe versucht, die stille und geheimnisvolle Atmosphäre des Textes von Elisa Sabatinelli ins Deutsche zu übertragen“, so die Übersetzerin weiter. Das ist ihr zweifellos gelungen - Figuren, Schauplatz, Dramaturgie, hier stimmt einfach alles!
Ebenso tief geht die Reise mit dem deutlich moderneren Tauchboot, mit dem John Hare in „Tief im Ozean“ eine ganze Schulklasse die Welt der Tiefsee entdecken lässt. Dabei kommt er, wie auch schon in seinem Bilderbuchdebüt „Ausflug zum Mond“ ganz ohne Worte aus. „Mir erschien die Tiefsee der natürliche nächste Schauplatz nach der Mondlandschaft. Obwohl auf den ersten Blick sehr unterschiedlich, gibt es doch auch viele Gemeinsamkeiten. Die Orte sind fremd, feindlich menschlichem Leben gegenüber und sehr isoliert. Da wollte ich mein neues Abenteuer spielen lassen,“ so der amerikanische Künstler. Und tatsächlich regen die Illustrationen an, einfach beim Betrachten mit zu reisen und Leuchtkalmaren, Riesenasseln und anderen Kreaturen zu begegnen. Zum Glück gibt es ein Happy-End und der Junge landet wieder wohlbehalten im Tauchboot und zeigt den anderen seine Unterwasserfotografien.
Anhand von Fotos und Texten in Büchern und Zeitschriften, aber auch mit TV-Dokumentationen und ausgiebiger Internetrecherche arbeitet sich Dieter Braun nach „Die Welt der Berge“ in das Thema seines neuen Sachbuches „Die Welt der Meere“ ein. „Da ich ja kein Meeresbiologe bin, war mein Wissen über das Leben im Meer nicht größer als das eines jeden Laien. Am Anfang stelle ich mir zunächst die einfachen Fragen und dann erstelle ich eine Liste mit Themen, die mich besonders interessieren,“ so der Hamburger Illustrator. Umfassend und hochinteressant sind alle Kapitel des umfangreichen Sachbuches. Er überrascht mit ungewöhnlichen Perspektiven und kompakten Infos. So gibt es gibt ca. 32500 Fischarten, nicht nur weißen, sondern auch grünen und schwarzen Sand und Apnoetaucher, die bis zu zehn Minuten die Luft anhalten! Tiere und Landschaften gestaltet Braun gewohnt stilsicher und überzeugt mit einem angenehm klaren Layout.
Eine Doppelseite bei Braun ist auch den Leuchttürmen gewidmet. Sophie Blackall konzentriert sich in ihrem ausgezeichneten Sachbilderbuch „Hallo Leuchtturm“ ganz auf einen speziellen, in dem sie sogar selbst gelebt hat. In einer Mischtechnik aus chinesischer Tinte und Wasserfarben auf heiß gepressten Papier zaubert sie passend im Hochformat ihre ausdrucksstarken Figuren, das tosende Meer oder detailliert die Einrichtung des ungewöhnlichen Zuhauses aus vergangenen Zeiten hervor. „Der Leuchtturm in diesem Buch basiert auf einem, in dem ich eine Zeit lang wohnte, auf einer kleinen Insel am nördlichsten Punkt von Neufundland,“ so die Bilderbuchkünstlerin. Nebel, Sturm, Eis und die persönlichen Ereignisse im Leben des Leuchtturmwärters werden poetisch, eindringlich und zugleich mit einer großen Sachkenntnis in Text und Illustration präsentiert.
Wie wichtig die richtige Unterkunft ist, wenn man nicht Meer arbeitet, sondern dort seine Ferien verbringen möchte, das wird nach der überaus vergnüglichen Lektüre des zweifarbig rosa und reich bebilderten ersten Bandes von Alex Milway „Hotel Flamingo - Wo jeder willkommen ist“ klar. Bis Ende diesen Jahres werden insgesamt vier Bände vorliegen. Eine perfekte Aussicht für alle Kinder, die Gefallen an dem ungewöhnlichen Hotel gefunden haben. Worum es geht? Die besten Zeiten sind wohl vorbei. Aber mitten auf dem Boulevard der Tiere ist das Mädchen Anna fest entschlossen, aus dem Hotel gemeinsam mit ihrem Team - allesamt Tiere - ein großartiges Comeback zu organisieren. „Ich habe meine jüngste Tochter beobachtet, wie sie mit ihren Spielzeugtieren Schule gespielt hat. Das hat mich zu einer anderen Idee inspiriert. Ich fand, ein Hotel könnte der perfekte Ort sein, an dem ein Mädchen nach Tieren schaut,“ so der Drehbuchautor und Illustrator. Die lebendigen Dialoge sind auch wunderbar zum Vorlesen geeignet. Da merkt man die Erfahrung des Drehbuchschreibens sofort.
Nicht um Filme, sondern um das Theater geht es bei Judith Burger und ihrem neuen Kinderroman „Ringo, ich und ein komplett ahnungsloser Sommer“. Die Mutter der mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis ausgezeichneten Autorin hat am Theater gearbeitet und so war Burger öfter selbst als Kind in den Ferien sowohl hinter der Bühne als auch im Zuschauerraum. Nun geht es um Asta, die einen ganz anderen Sommer verlebt, als eigentlich erwartet. Das hat entscheidend mit Ringo zu tun, der sich verändert hat. „Mich hat hier das Gefühl des Neids interessiert. Neid und Enttäuschung können ja überhaupt erst passieren, wenn man Erwartungen hat. Und Kinder haben Erwartungen - zum Glück - und müssen erst lernen, damit umzugehen, wenn diese Erwartungen enttäuscht werden,“ so Burger. Wiederum erzählt sie gewohnt facettenreich und mit feinen Zwischen-tönen aus der Ich-Perspektive der weiblichen Hauptfigur von einem wegweisenden Sommer.
Nicht ganz so wegweisend, aber sehr heiter und kurzweilig geht es bei Stephanie Schneider und SaBine Büchner in „Lotta Rikotta und der geheime Strand“ zu. Auf die Idee zu der Geschichte ist die Autorin in der Hannoveraner Bar „Strandleben“ gekommen. Als Einzelkind muss man sich schon etwas einfallen lassen, wenn der langersehnte Strandurlaub zu langweilig zu werden droht. Zum Glück gibt es Hund Kruse und mit dem wartet das Abenteuer hinter der nächsten Ecke - besser gesagt, im Strandlokal „Robinson“. Da kann Lotta nun endlich einmal Kellnerin sein. Ein Spiel, das viele Kinder gerne spielen. Doch hier geht es nun wirklich darum, alles im Überblick zu behalten, und das ist gar nicht so einfach! Aber für die LeserInnen umso lustiger - vor allem, wenn man sich auch noch die Illustrationen anschaut. „Die Bilder sind im Lockdown entstanden. So war diese Geschichte mit ihren liebenswürdigen Protagonisten ein großes Glück für mich. Ich habe mit dieser hinreißend schrägen, kleinen Gesellschaft Urlaub gemacht,“ so Büchner.
Und die Autorin fügt noch einen grundsätzlichen Gedanken hinzu: „Urlaub fängt da an, wo man in die Buchhandlung oder an das Bücherregal geht und sich Lesefutter holt. Denn natürlich ist Lotta Rikotta ein Buch für den Familienurlaub, aber es ist auch ein Buch für jene, die zu Hause bleiben. Für ein Abenteuer im Kopf braucht man keinen Impftermin.“ Das gilt im Grunde auch für all die anderen hier vorgestellen und empfehlenswerten Kinderbücher.
Schöne Ferien und viel Spaß beim Lesen!