Echt, du bist Jude?

Antisemitismus bis fast zur Mitte des Jahrhunderts, eine Zeit des Totschweigens der Vergangenheit, Philosemitismus in den 80er und 90er Jahren - der Autor kommt zu dem Fazit: Deutsche haben kein normales Verhältnis zu Juden. Eine wichtige Rolle, so Echt, du bist Jude? schildert er eigene Jugenderlebnisse in Süddeutschland, spielen dabei falsche Zuordnungen (wie die Gleichsetzung Jude = Israeli). Der liberale Deutsche jüdischen Glaubens liegt außerhalb der Vorstellungswelt der meisten. Das verkrampfte Verhältnis, das er selbst als Schüler erlebt hat, entdeckt er retrospektiv im gesamten Verhältnis der Bundesrepublik zu den jüdischen Organisationen in Deutschland. Das Knirschen und die Eiertänze beschreibt Mounk meist mit viel Humor. Da politische Theorie sein Fachgebiet ist, behandelt er die aktuelle politische Situation in Deutschland in einem dritten Teil, der der Übersetzung des englischen Originals angefügt ist. Erfreulich für ihn, so schreibt er dort, war ein erneuter Besuch in Laupheim, wo ihn seinerzeit seine Mitschüler anders als die anderen behandelt hatten. Denn sie kannten keine Juden, obwohl der Ort im 19. Jh. einen sehr beträchtlichen Anteil jüdischer Mitbürger hatte. Der Ort stellt sich in vielfältiger Weise seiner Geschichte, keineswegs nur einer Vergangenheitsbewältigung. Aus dem Prozess hin zur Normalisierung leitet Mounk Überlegungen ab, wie Deutsche und Migranten zusammenwachsen könnten: Vollständige Integration in die deutsche Lebensweise sollte gleichberechtigt neben mitgebrachten kulturellen Eigenarten stehen. Insgesamt beantwortet das Buch weit mehr Fragen, als der Titel andeutet.

Pauline Lindner

Pauline Lindner

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Echt, du bist Jude?

Echt, du bist Jude?

Yascha Mounk
Kein & Aber (2015)

266 S.
fest geb.

MedienNr.: 799323
ISBN 978-3-0369-5727-2
9783036957272
ca. 23,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: So
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