Unerhörte Stimmen
Leila, eine Istanbuler Prostituierte, wird ermordet. Noch nicht im Grab, reflektiert sie ihr Leben - und das ihrer Freunde. Sie erzählt in Gedanken über ihre Kindheit in der Großstadt, den Weg in die Prostitution, ihre große Liebe und die letzte Stunde vor ihrem gewaltsamen Tod. Gleichzeitig überlegen ihre fünf Freunde, wie sie ihrer verstorbenen Kumpanin auf angemessene Weise die letzte Ehre erweisen können. Und kommen auf die Idee, den Leichnam Leilas, der anonym verscharrt wurde, zu stehlen und auf einem ihr würdigen Friedhof zu bestatten. Doch dabei werden sie von der Polizei gestört. - Elif Shafak versteht es, anhand der Geschichten von Leila und ihrer Freunde das Leben im modernen Istanbul zu zeigen: Ein Leben, das in dieser Mega-Metropole von über 15 Millionen Einwohnern geprägt ist vom Wunsch jedes Einzelnen, als Individuum zu überleben und menschlich zu bleiben, in einer Zeit, in der Anonymität, politische Willkür und Gleichgültigkeit die bestimmenden Werte sind. Shafak schreibt ebenso engagiert wie fesselnd, originell wie nachdenklich machend, humorvoll wie kritisch, satirisch aber auch nicht ohne romantische Momente. Mit ihrem neuesten Werk beweist die Autorin wieder einmal, dass sie zu den besten zeitgenössischen türkischen Autorinnen gehört (sehr gut auch die Übersetzung von Michaela Grabinger). Dieses Buch sollte man lesen!
Günter Bielemeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Unerhörte Stimmen
Elif Shafak
Kein & Aber (2019)
430 S.
fest geb.