Die Kindheit Jesu

Simón kommt im Umsiedlungszentrum von Novilla an und bittet um Arbeit und Unterkunft, im Schlepptau ein Kind, das nicht seines ist, für das er sich aber verantwortlich fühlt. Nach einer wohlwollenden Aufnahme müssen sich die beiden durch eine kafkaesk Die Kindheit Jesu anmutende Bürokratie kämpfen, bevor sie zu ihrer Unterkunft kommen. Die Hafenarbeiter, bei denen Simon anheuert, sind freundlich, doch merkwürdig interesselos. Irgendwie "blutleer" findet Simon dieses Land, in dem für alles gesorgt ist, in dem es aber keinerlei Begierden gibt. Nichtsdestotrotz arrangiert er sich mit den neuen Gegebenheiten. Sein einziges Ziel ist es, Davids Mutter zu finden. Und hier verbeißt er sich in eine Idee und steigert sich immer mehr in eine fast kitschige Mütterlichkeitsverehrung hinein. Als Leser hat man bisher die Gesellschaft in dem neuen Land für seltsam gehalten, jetzt immer mehr Simón selbst. Er glaubt nämlich, in der blasierten Tennisspielerin Inés die Richtige gefunden zu haben, um als Davids Mutter zu fungieren. In diesem Zusammenhang werden Parallelen gezogen zur auserwählten Mutterschaft Marias. Daher wohl der Titel, wenn auch sonst nichts auf das Christentum hinweist. Ein Land ohne Sünde braucht keinen Gott. - Literaturnobelpreisträger Coetzee, u.a. bekannt durch seinen Südafrika-Roman "Schande", hat seinen neuen Roman in einer dystopischen Gesellschaft angesiedelt. Er lebt von Dialogen und dialektisch-philosophischen Betrachtungen und scheut auch nicht vor Fäkalsprache zurück. - Ein reichlich seltsamer Roman, nicht uninteressant für philosophisch und literarisch interessierte Leser, aber gewiss kein Jesus-Roman, wie der Titel suggerieren könnte. (Übers.: Reinhild Böhnke)

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Die Kindheit Jesu

Die Kindheit Jesu

J. M. Coetzee
Fischer (2013)

350 S.
fest geb.

MedienNr.: 388782
ISBN 978-3-10-010825-8
9783100108258
ca. 21,99 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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