Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch
In 30 sehr offenen Interviews, die der Autor in den letzten Jahren vor allem in den Provinzen Sichuan und Yunnan geführt hat, zeigt er die Lebensgeschichten der unterschiedlichsten Menschen auf. So sind seine Gesprächspartner u.a. Konterrevolutionäre, Prostituierte, Menschenhändler, Mörder, Räuber, Schwindler, zum Tode Verurteilte, Rechtsabweichler, aber auch einfache Leute oder Dichter. Es kommt z.B. die Dongdong-Tänzerin Dai Fenghuang zu Wort, die nach der Vorstellung den Gästen noch zu weiteren Diensten zur Verfügung steht, um auf diese Weise ihrem Sohn ein Universitätsstudium ermöglichen zu können. Nicht für sensible Leser ist das Interview geeignet, das Liao Yiwu mit Chi Fu führt, der vom köstlichen Geschmack einer Suppe von menschlichen Embryonen schwärmt. Jiang Fuqing, ein anderer Restaurant-Besitzer berichtet, wie er jahrelang die Gerichte mit Altöl zubereitet hat. Die Geschichten, die Liao Yiwu vom "Bodensatz der Gesellschaft" (wie er in seinem Vorwort bemerkt) erfahren hat, sind berührend, bedrückend oder schockierend. Sie bringen recht realistisch die politische Unterdrückung und die gegenwärtige Situation der nicht zu den neuen Reichen zählenden Bevölkerungsgruppen zum Ausdruck. - Für Interessierte an einer zeitgenössischen Dokumentation über das Reich der Mitte sehr empfehlenswert.
Edith Schipper
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Die Dongdong-Tänzerin und der Sichuan-Koch
Liao Yiwu
S. Fischer (2013)
490 S.
fest geb.