Meine Zeit der Trauer

Oates' Mann, der Verleger Raymond Smith, stirbt plötzlich im Krankenhaus, als er sich schon von einer Lungenentzündung erholt hatte. Ein Jahr später erst gelingt es ihr, ihre Trauer in Worte zu fassen. Sie schreibt ausführlich, wie fassungslos Meine Zeit der Trauer sie war, wie unbegreiflich dieser Tod für sie ist, wie gut ihr die Briefe und der Zuspruch von Freunden getan haben. Auch ihre eigenen E-Mails an Freunde werden eingefügt. Es gelingt ihr grandios, die Gefühle der Benommenheit, der Unwirklichkeit, der Einsamkeit und den Wechsel zwischen Verzweiflung und Wut zu beschreiben, aber auch, wie schwer es ihr fällt, den Status als Witwe zu akzeptieren - sie, die seit ihren Studienzeiten mit ihrem Mann zusammen und nur selten von ihm getrennt war. Sie ist verwirrt und überwältigt von den zahllosen Terminen bürokratischer Art. Immer wieder packt sie die Angst, dass er ihr entgleiten wird, dass die Erinnerung an ihr gemeinsames Leben, ihre gemeinsame Arbeit verblassen wird. Das Unterrichten an der Universität wird ihr "Rettungsanker". Über den Trauerprozess schreibt sie: "Ich habe zwar den Sinn meines Lebens und die Liebe meines Lebens verloren, kann zwischen den verstreuten ... Abfällen aber immer noch kleine Kostbarkeiten finden." Ihr wird schließlich klar, dass "für Ray ... der Tod keine Tragödie, sondern ein Abschluss" war. - Die 500 Seiten lange Trauerarbeit der sprachgewaltigen Autorin ist sehr persönlich und spricht vor allem diejenigen an, die selbst einen schmerzlichen Verlust verarbeiten müssen. (Übers.: Silvia Morawetz)

Ileana Beckmann

Ileana Beckmann

rezensiert für den Borromäusverein.

Meine Zeit der Trauer

Meine Zeit der Trauer

Joyce Carol Oates
S. Fischer (2011)

494 S. : Ill.
fest geb.

MedienNr.: 349662
ISBN 978-3-10-054009-6
9783100540096
ca. 24,95 € Preis ohne Gewähr
Systematik: Bi, Li
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