Seerücken
Der für den Buchpreis der Leipziger Buchmesse nominierte schmale Erzählband des Schweizer Autors hat seinen Titel von einem Bergrücken im Kanton Thurgau. In dieser Gegend oder auch im Bodenseegebiet spielen diese Kurzgeschichten. Menschen kommen
und gehen, Beziehungen zerbrechen und andere entstehen, Unglücksfälle passieren und das Leben der Protagonisten bekommt eine entscheidende Richtungsänderung. "Es ist der glückliche, aber auch ein bisschen beängstigende Moment des Aufbruchs, der mich interessiert, sagte der Autor" (S. 185) in einer seiner Kurzgeschichten. Immer wieder hat man als Leser das Gefühl, da würde aus dem eigenen Leben berichtet, denn viele seiner Erzählungen lassen sich mit unseren Alltagserfahrungen problemlos in Einklang bringen, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt. Denn unversehens kann das Geschehen ins Irreale hinübergleiten. Oder umgekehrt: Gedanken und Träume werden zu realem Geschehen und der Leser weiß nicht mehr, in welcher Sphäre er sich gerade befindet. Die Unsicherheit des Lesers korrespondiert dann mit der Erosion aller Gewissheiten der jeweiligen Helden. Ein wunderbares Buch: jede Geschichte ist auf ihre Weise faszinierend, irritierend und inspirierend. Erzählt wird in einem lakonisch ungekünstelten Ton. Ästhetisches Beiwerk, rankenreiche Metaphorik sucht man bei diesem Autor vergebens. Seine Kunst zeigt sich in genau kalkulierter Verknappung, im Nachklingenlassen von Leerstellen. Dennoch sind alle Geschichten eingängig und spannend erzählt! Sehr zu empfehlen!
Helmer Passon
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Seerücken
Peter Stamm
S. Fischer (2011)
189 S.
fest geb.