Imago
"Imago": Das aus dem Lateinischen kommende Wort lässt an Bild und Bildung denken, auch an Schöpfung, an göttliche, natürliche und künstlerische, also Imagination. Uwe Kolbes Lyrikband entwirft eine poetische Imagologie, ein Bild des Dichters als Wanderer. Das ist wörtlich zu nehmen, denn in vielen Gedichten, dem Titelgedicht zumal, entschleunigt der Sprecher seine Mitwelt, wenn er die Menschen in ihren "Kisten" zu ihren urbanen Wirkstätten fahren sieht, während er mit dem Fahrrad oder zu Fuß durch Feld, Wald und Wiesen streift und so dem "Jagen des Planeten" fern bleibt. Es ist ein Wandern mit empathischem Blick für die belebte und unbelebte Natur, für eine Natur aber auch, die ihren Ursprung nicht dem Menschen verdankt. Das Heilige, der grundgütige Gott, die Ewigkeit, die Engel tauchen so fast beiläufig in den Gedichten auf, Abbilder von etwas, an dem unser mobiler Blick in die globale Weite oft vorbei gleitet. Dazu passt die - ganz und gar bescheidene - Bitte des Künstlers um einen anderen Blick, der auch den hohen Ton nicht scheut, nur mit leichtem Abstand zu dem alten Meistern, die immer schon durch die Gedichte Uwe Kolbes streifen, hier prominenterweise Hölderlin und Benn. Der Dichter ist für Uwe Kolbe kein Sänger, kein Liedermacher, sondern ein Bildner, der berührbar ist, manchmal zweifelnd, doch stets aufmerksam, seiner Worte gewiss und mutig in seinem Glauben an die "Bestimmung zum Glück". Solche Gedichte können wir brauchen in unseren Zeiten! Sehr empfehlenswert.
Michael Braun
rezensiert für den Borromäusverein.
Imago
Uwe Kolbe
S. Fischer (2020)
104 Seiten
fest geb.