Orbáns Ungarn
Der ungarische Ministerpräsident Orbán gilt vielen westlichen Beobachtern als Prototyp einer neuen Generation von populistischen Machtpolitikern mit gefährlichen autoritären Neigungen. Der renommierte Journalist Paul Lendvai, in Ungarn geboren und nach dem Volksaufstand von 1956 nach Österreich geflüchtet, zeichnet mit sehr kritischem Blick die bemerkenswerte Karriere des aus kleinsten Verhältnissen stammenden Orbán nach, der schon als Student in der großen Politik mitmischte, eine neue Partei (Fidesz) gründete und im Jahre 1998 mit 35 Jahren erstmals Ministerpräsident wurde. Nach dem vorübergehenden Verlust der Macht regiert er seit dem Erdrutschwahlsieg von 2010 das Land mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Mit unbändigem Machtwillen baut Orbán seither seine auf absehbare Zeit kaum durch demokratische Wahlen abzulösende, personalisierte Herrschaft als "Führerdemokratie" aus. Dabei mobilisiert und nutzt er erfolgreich die tief verwurzelte nationalistische Grundstimmung, scheut vor illiberalen Verfassungsänderungen nicht zurück und stützt sich durch Günstlings- und Vetternwirtschaft auf eine neue plutokratische Oberschicht mit mafiösen Strukturen. - Vor dem aktuellen Hintergrund der Hochkonjunktur für populistische Politiker und der Befürchtung, das "ungarische Modell" könne in Europa Schule machen, werden alle politisch und zeitgeschichtlich interessierten Leser(innen) dieses Buch mit Gewinn zur Hand nehmen.
Johann Book
rezensiert für den Borromäusverein.
Orbáns Ungarn
Paul Lendvai
Kremayr & Scheriau (2016)
239 S.
fest geb.