Eine heitere Wehmut
Japan, das Land, in dem die Autorin die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbracht hat, lässt sie nicht los. Nach dem Studium in Europa kehrte sie nach dorthin zurück und machte in einer Firma desaströse Arbeitserfahrungen, die sie in ihrem zynisch-boshaften Roman "Mit Staunen und Zittern" (BP 01/168) verarbeitete. Dann verließ sie nach anderthalb Jahren ihren japanischen Verlobten Rinri, um endgültig nach Europa zurückzukehren und schrieb auch darüber einen Roman ("Der japanische Verlobte", BP/mp 10/649). 16 Jahre später reist sie erneut mit einem Kamerateam in das Land ihrer Sehnsucht. Sie besucht Kobe und die Nachbarschaft, in der sie aufgewachsen ist und in der sie fast nichts wiedererkennt, da durch das große Erdbeben 1995 Kobe fast komplett zerstört worden ist. Sie trifft auch ihr Kindermädchen wieder, das inzwischen über 80-jährig allein in einer Sozialwohnung lebt - eine sehr emotionale Begegnung. In Kyoto trifft sie ihre Jugendliebe Rinri - ein freudiges Wiedersehen. - Anders als in ihren Japan-Romanen, die sich auf die interkulturelle Begegnung zwischen Europa und Japan konzentrieren, fehlen Nothomb in diesem Bericht die Schärfe und die zynische Betrachtungsweise; es herrscht ein - bei dieser Autorin ungewohnter - Ton "heiterer Wehmut" vor. Ein kleines, wie immer gut geschriebenes Büchlein, das sich allerdings sehr auf die autobiografischen Erfahrungen der Autorin konzentriert. (Übers.: Brigitte Große)
Ileana Beckmann
rezensiert für den Borromäusverein.
Eine heitere Wehmut
Amélie Nothomb
Diogenes (2015)
123 S.
fest geb.