Der Blick aus dem Fenster
Vor Giselher Reinhards Fenster in Berlin verwandelt sich die tagsüber verkehrsreiche Kreuzung nachts in eine Szene, die Gustave Caillebotte 1875 in einem Gemälde festgehalten hat. Anders als auf dem Bild steigt eine Frau des 19. Jahrhunderts aus der Kutsche, um zu Reinhard hinaufzuschauen und wieder in die Kutsche zurückzukehren. Im Hamburg von heute verlässt die Antiquitätenhändlerin Lydia ihre Liebhaber immer dann, wenn sie ihnen gerade die Ehe versprochen hat, bis sie eines Tages am eigenen Leibe spürt, wie es ist, verlassen zu werden. Lydias Engels-Statue, die nach Kiel verkauft wurde, verlässt eigenständig ihren vergessenen Platz in einer Kammer, um vom Meer umspült und davongetrieben zu werden. - Langes in einer präzisen, beobachtenden Sprache abgefassten Erzählungen laden ein, über Vergangenes, über die Vergänglichkeit nachzudenken, aber auch zu träumen über etwas, das noch nie von irgendwem entdeckt wurde - wie zum Beispiel die Parkbank im pulsierenden Berlin, auf der noch nie jemand gesessen haben soll ...
Adelgundis Hovestadt
rezensiert für den Borromäusverein.
Der Blick aus dem Fenster
Hartmut Lange
Diogenes (2015)
103 S.
fest geb.