Nussschale

Man muss in Ian McEwans neuem Roman erst einmal akzeptieren, dass der Ich-Erzähler oder die Ich-Erzählerin ein ungeborenes Baby ist. Es berichtet von einem Komplott Shakespeareschen Ausmaßes, nämlich vom geplanten Mord an seinem Vater, ausgeführt Nussschale von Mutter Trudy und Onkel Claude (Hamlet lässt grüßen!). Altklug und witzig schildert der Embryo das mitgehörte Bettgeflüster, kommentiert nebenher Weltgeschehen und Literatur, deren Besonderheiten er sich in stundenlangen Radiosendungen und Hörbuchsequenzen angeeignet hat. Darunter auch der Ratgeber, "Werde Weinkenner in fünfzehn Folgen", was ihn zu der Bemerkung führt, es gehe nichts über einen durch die Plazenta dekantierten alten Burgunder. Wenn man diese Erzählsituation also akzeptiert hat, kann man sich dem Folgenden mit Genuss hingeben. Das Ungeborene schlägt zugleich ironische, poetische und ernste Töne an: So entwirft er einen Brief an seinen Vater, um ihn zu warnen oder versucht gar, sich mit der Nabelschnur umzubringen, was aber misslingt. Währenddessen wird der Giftmord vollzogen, Spuren verwischt und der Polizei von Depressionen des Opfers erzählt. - Ein großartiger Roman, spannend und witzig erzählt aus einer ungewöhnlichen Perspektive. (Übers.: Bernhard Robben)

Karin Blank

Karin Blank

rezensiert für den Borromäusverein.

Nussschale

Nussschale

Ian McEwan
Diogenes (2016)

277 S.
fest geb.

MedienNr.: 587797
ISBN 978-3-257-06982-2
9783257069822
ca. 22,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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