Die Wahrheit über das Lügen

Die erste Geschichte, "Die Wanderung", ist ziemlich verstörend: Ein erfolgreicher Firmenchef bricht am achten Geburtstag seines kränkelnden Sohnes nachmittags noch schnell zu einer kleinen Bergwanderung auf. Als er spät abends heimkommt, sind viele Jahre vergangen, die Tochter ist verheiratet und lebt in Spanien, der Sohn ist gestorben. Die berührende Geschichte "Das Grundschulheim" erzählt von Jungen, die im Internat eine verschworene Gemeinschaft bilden, Heimweh haben, sich gemeinsam einsam fühlen, sich prügeln und wieder versöhnen und sich mit Lügen über ihre Herkunft betrügen. In der absurden Geschichte "Ping Pong" sind zwei Männer monatelang in einem kahlen Raum nur mit Tischtennisplatte und einem Tischtennisball eingesperrt und spielen erst locker, dann wie besessen, schließlich wie im Wahn, bis sie sich ganz plötzlich in der Freiheit wiederfinden. Bewegend sind die Geschichten "Richard" von der allein lebenden alten Frau, die ihrem längst verstorbenen Kater immer noch seine Lieblingsmahlzeit bringt, und "Die Nacht der Bücher", die von einem einsamen Mann handelt, der am Heiligabend nichts anderes zu tun hat, als Nachtwache in einer Bibliothek zu halten, in der Bücher berühmter Autoren nachts lebendig werden. Die längste, verrückteste und ausgeklügeltste der Geschichten "Das Franchise oder Die Wahrheit über das Lügen" handelt von einer Zeitreise. Dabei bringt der erfolglose Drehbuchautor Adrian das Leben von George Lucas, dem berühmten Schöpfer der "Star Wars"-Saga, durcheinander, indem er in die Vergangenheit katapultiert wird. - Der für seine Romane mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Benedict Wells beeindruckt hier mit geistreichen Kurzgeschichten. Der sehr gute Beobachter erzählt ruhig, sprachlich ansprechend und ohne Pathos von alltäglichen Situationen der Menschen mit all ihren Stärken und Schwächen. Das liebenswürdige Büchlein ist Freunden der Gegenwartsliteratur sehr empfohlen und in allen Büchereien gut einsetzbar.