Erbsünde
Akribisch geht der Investigativjournalist den Fragen nach, die in seinen früheren Büchern (zul.: "Seine Heiligkeit", BP/mp 13/8) offengeblieben sind, u.a. anhand von Ermittlungsakten, Gesprächen und sonstigen Informationen, die ihm - auch aus dem
Vatikan - anvertraut worden sind. Es geht um das Verschwinden der Schülerin Emanuela Orlandi, die finanziellen Aktivitäten im Vatikan und die sogenannte Schwulenlobby innerhalb der Kurie. Die Recherchen reichen zurück bis ins Pontifikat Pauls VI. und lesen sich teils wie ein Krimi, teils wie ein "Who-is-who" der Kurie und der vatikanischen Geldinstitute samt ihren Verflechtungen mit der internationalen Finanzwelt bis hin zur organisierten Kriminalität. Der aufreibende Kampf gegen das Dickicht aus Seilschaften und Desinformation hat Nuzzi zufolge nicht nur zum Tod von Johannes Paul I. und zum Rücktritt Benedikts XVI. geführt, sondern lähmt weiterhin die Transparenz- und Reformbemühungen von Seiten des Papstes und Teilen der Kurie. Unabhängig von den Vorgängertiteln lesbar, jedoch erfordert die enorme Menge an Namen, Institutionen und Details, verbunden mit Vor- und Rückblenden, ein hohes Maß an Konzentration und Geduld. Und am Ende "sehen wir betroffen den Vorhang zu und" noch immer viele "Fragen offen" (nach Brecht). In größeren Re-Beständen möglich.
Monika Graf
rezensiert für den Borromäusverein.

Erbsünde
Gianluigi Nuzzi
Orell Füssli (2018)
332 S. : Ill.
fest geb.