Gold der Tundra
Fast ein halbes Jahrhundert wurden die Bewohner des Hohen Nordens nicht nur durch die Behringstrasse, sondern auch durch jene ideologische Grenze getrennt, die als Folge des Kalten Krieges entstanden war. Vor diesem Hintergrund erzählt der 1930 auf
der zur ehemaligen Sowjetunion gehörenden Tschuktschenhalbinsel geborene Juri Rytcheu fiktive Geschichten von Menschen, die sich nach der Perestroika neu orientieren müssen. Einige von ihnen, wie der ehemalige Parteisekretär Wiktor Basarow, gehören zur Spezies der Wendehälse und versäumen keine Gelegenheit, sich persönlich zu bereichern. Andere, wie Arkadi Pesterow und Michail Melenski, nutzen die gewonnene ideologische Unabhängigkeit und organisieren Begegnungen mit den in Alaska lebenden Inuit, zu denen häufig auch verwandtschaftliche Bindungen bestehen. Die sich zwischen den Protagonisten entwickelnden Beziehungen ergeben ein eher loses Handlungsgeflecht, das dem Autor genügend Raum lässt für historische und sozialpolitische Reflexionen. - Juri Rytcheu, der bereits in der Sowjetunion der 60er Jahre Popularität genoss, erweist sich erneut als ein engagierter Berichterstatter, der einfühlsam und realistisch vom Leben am Ende der Welt erzählt. (Übers.: Kristiane Lichtenfeld)
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Gold der Tundra
Juri Rytchëu
Unionsverl. (2006)
266 S.
fest geb.