Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Djamschid Khan, Angehöriger einer adeligen kurdischen Sippe im Nordirak wird im Jahr 1979, direkt nach der Machtübernahme durch Saddam Hussein, festgenommen und in verschiedenen Gefängnissen grausam gefoltert; als Siebzehnjähriger, der sich aus Mein Onkel, den der Wind mitnahm Opposition gegen seine Herkunft dem Kommunismus verschrieb. Hunger und Gewalt machen den einst dicklichen Jungen zu einem Schatten seiner selbst: "ein Geschöpf aus gilbigem Papier, ... seitlich betrachtet nicht mehr als eine Linie". Infolge dieser durchscheinenden Schwerelosigkeit entschwebt er bei einem starken Windstoß aus dem Gefängnis und geht mithilfe entsprechender Strömungen in seiner Heimatstadt nieder. Dort werden zwei Neffen, Schulversager und Nichtsnutze, zu seiner Bewachung und als Seilführer abkommandiert, mit dem der fliegende Onkel am Boden gehalten werden muss. Zunächst in den Bergen versteckt, setzt man sie nach einer Amnestie nutzbringend im Krieg gegen den Iran ein; der Onkel unterfliegt jedes Radar und kundschaftet die feindlichen Linien aus - bis sein Halteseil durchschossen und er von den Iranern als Seele eines Heiligen zur Stärkung der Kampfmoral der eigenen Truppe genutzt, auch von da verweht und auf abenteuerlichen Wegen in die Heimat zurückgebracht wird ... So verschwindet der Onkel und taucht wieder auf - über Jahre, Jahrzehnte. Jeder Sturz lässt die Erinnerungen verblassen, neue Identitäten des Onkels scheinen auf; einer betrügerischen Liebe opfert Djamschid alles, wird auf der Suche nach Gott zum gefeierten/gefürchteten Massenprediger, als Schlepper verjubelt er gewonnenes Vermögen in Istanbuls Bordellen, in Internet-Chatrooms stiftet er gefährliche Unruhe, bis er schließlich als fliegender Mensch im Käfig eines Panoptikums landet. Der Erzähler, einer der Neffen, rettet ihn wieder und wieder, nun ein letztes Mal; sein treuer Begleiter macht sich an die Niederschrift ihrer beider unglaublicher Geschichte. - Ein fantastischer Roman mit realen Bezügen und vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten.

Elisabeth Bachthaler

Elisabeth Bachthaler

rezensiert für den Sankt Michaelsbund.

Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Mein Onkel, den der Wind mitnahm

Bachtyar Ali ; aus dem Kurdischen (Sorani) von Ute Cantera-Lang und [einem weiteren]
Unionsverlag (2021)

150 Seiten
fest geb.

MedienNr.: 986341
ISBN 978-3-293-00571-6
9783293005716
ca. 20,00 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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