Der Schnee war schmutzig

Georges Simenon kennen die meisten als Autor von Kriminalromanen, doch dieses Buch tanzt aus der Reihe. "Der Schnee war schmutzig" erzählt, was in einer Zeit im 20. Jh., in der es an Ordnung und Recht mangelte, geschehen konnte, und ein Schelm, wer Der Schnee war schmutzig dabei nicht an das besetzte Frankreich Anfang der 1940er Jahre denkt, das Simenon 1945 verließ. Der Protagonist des Romans, Frank Friedmaier, ist 18 Jahre, lebt bei seiner Mutter in einem schäbigen Bordell, erledigt kleinkriminelle Botendienste, wird zum Mörder an einem Besatzungsoffizier und kommt, nach einem zweiten Mord, ins Gefängnis. Die Geschichte ist eine dichte Beschreibung des hoffnungslosen Milieus, in dem Frank lebt. Simenon geht durch das Tor zum Existenzialismus wie Camus und Sartre, weder billigt er seiner Figur ein schlechtes Gewissen, noch der Gesellschaft einen moralischen Kompass zu. So steht das Gewaltverbrechen mit seinen Folgen im Mittelpunkt, weniger der Verbrecher selbst. Daniel Kehlmann nennt in seinem feinsinnigen Nachwort den Helden einen "Anti-Raskolnikov": Das stimmt, denn Schuld und Sühne sind keine Themen in Simenons Roman. Aus dem Französischen hat Kristian Wachinger das Buch, das auf Anthony Burgess' "A Clockwork Orange" (1962) abfärbte, in ein geschmeidiges Deutsch übersetzt. Sehr empfehlenswert.

Michael Braun

Michael Braun

rezensiert für den Borromäusverein.

Der Schnee war schmutzig

Der Schnee war schmutzig

Georges Simenon. Mit e. Nachwort von Daniel Kehlmann
Kampa (2018)

315 S.
fest geb.

MedienNr.: 594366
ISBN 978-3-311-13363-6
9783311133636
ca. 22,90 € Preis ohne Gewähr
Systematik: SL
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