Andersen

Als Andersen aufwacht, ist es dunkel und er kann sich kaum bewegen. Es dauert eine Weile, bis ihm klar wird, dass er sich als Fötus im Bauch einer Frau befindet. Er erinnert sich, dass er sich verstecken und eine neue Identität annehmen musste: Unter dem Namen Andersen hatte er ein neues Leben angefangen. An dieses neue Leben kann er sich nicht erinnern, jedoch an die Zeit davor, in der er es als Folterknecht zu erheblicher Perfektion gebracht haben muss. Aus Gründen, die er nicht mehr kennt, ist er gestorben und wiedergeboren worden. Die Eltern, bei denen er landet, ahnen freilich nichts von ihrem zweifelhaften Glück. Als Erwachsener im Körper eines Neugeborenen muss er sich in der neuen Zeit zurechtfinden und auf seine Umgebung einstellen. Sobald er alt genug ist, will er an sein Leben als Andersen anknüpfen. - Charles Lewinsky beginnt sein Buch bewusst kafkaesk. Die Konstruktion des Erwachsenengeistes in einem Fötus und Baby ist nicht gerade neu, doch meist handelt es sich um lustig-alberne Geschichten. Die Geschichte, die Lewinsky erzählt, hat überhaupt nichts Lustiges an sich. Es ist unheimlich, mit wie viel Begeisterung und Leidenschaft er von seinem Vorleben als Folterscherge erzählt. Auf Basis dieser Erinnerungen plant er seine Zukunft. Doch am Ende kommt alles anders, als er sich das vorgestellt hatte. Bis Jonas seine Eltern verlässt, um sein Leben als Andersen wieder aufzunehmen, dauert es allerdings 250 Seiten. Erst danach nimmt der Roman richtig Fahrt auf. Natürlich ist die Vorgeschichte mit Jonas alias Andersens Kindheit nötig, doch hätte man diesen Teil des Buches deutlich schneller und spannungsreicher erzählen können. Für Lewinsky-Fans und Büchereien, die bereits andere Werke des Autors im Bestand haben, ist das Buch empfehlenswert; wenn man Charles Lewinsky als Autor kennenlernen möchte, sollte man jedoch nicht gerade mit diesem Buch anfangen.