Gestatten, dass ich sitzen bleibe
In einem leichten, gelassenen, teils selbstironischen Ton erzählt der ehemalige Intendant des MDR von beruflichen wie privaten Lebensstationen: vom Aufbau einer ARD-Anstalt aus den Ruinen des DDR-Staatsrundfunks, von der Förderung der Hörfunktalente Gottschalk und Jauch, von der Betrugsaffäre beim Kinderkanal, aber auch von seinem schweren Autounfall und der Querschnittslähmung sowie den jahrzehntelangen Erfahrungen und Erlebnissen als Rollstuhlfahrer. Die Kapitel, die sich mit der Gebrechlichkeit seines Körpers beschäftigen (Fernreisen trotz großer Hindernisse, komplizierte Heilungsverläufe bei Krankheiten, Suizidgedanken), unterbrechen die ansonsten lineare Lebensbeschreibung und verleihen ihr eine zusätzliche Bedeutungsebene. Trotz einiger selbstkritischer Einsichten, die der Autor offen benennt, ist das Buch das Zeugnis eines Menschen, der sich seiner Erfolge bewusst ist: Er benennt sie klar und deutlich, flicht dann aber geschickt Anekdotisches und Augenzwinkerndes ein, sodass die Bedeutungsschwere sofort wieder eingedämmt wird. Bemerkenswert sind die Schilderungen seiner Herkunft aus einfachen Verhältnissen und seiner neuapostolischen Sozialisation. Das Kapitel über die Auftritte des MDR-Symphonieorchesters und des Leipziger Rundfunkchores im Vatikan sowie die Begegnungen mit zwei Päpsten dürfte ebenfalls von besonderem Interesse sein.
Thomas Völkner
rezensiert für den Borromäusverein.
Gestatten, dass ich sitzen bleibe
Udo Reiter
Aufbau (2013)
248, [16] S. : Ill.
fest geb.