Das Leben ist groß
Was zunächst als konstruiert erscheint, erweist sich als dynamisierend wirkender literarischer Einfall. Denn ohne den im Nachlass ihres verstorbenen Vaters gefundenen, in den 1980er Jahren an einen jungen sowjetischen Schachspieler adressierten Brief, würde Irina 2007 nicht nach Russland reisen. Wer ist Alexander Besetow, den der an einer vererbbaren Krankheit Leidende um Lebenshilfe bittet? Irinas Suche nach dem inzwischen von einem Computer schachmatt gesetzten Weltklassespieler gerät zur Odyssee. Als politischer Gegner Putins vom KGB überwacht und abgeschirmt, hat Irina Mühe, mit Alexander ins Gespräch zu kommen. Die aus beider Begegnungen entstehende Freundschaft lässt es zu, dass sie einander ihre Angst gestehen: Angst vor dem Ausbruch der Krankheit und Angst, als öffentlich auftretender Oppositioneller psychisch und physisch vernichtet zu werden. Auf die damit verbundene Frage nach dem Umgang mit verbleibender Lebenszeit versucht die amerikanische Autorin Jennifer DuBois (Jahrgang 1983) eine Antwort zu geben. Denn sie lässt in ihrem dynamisch erzählten, spannenden Debütroman mit Irina und Alexander zwei subtil porträtierte Protagonisten agieren, die eine Kapitulation ausschließen. Indem die Autorin die fiktiven, einige Klischees enthaltenden Erzähl-Situationen mit realem Geschehen intelligent verbindet, entstehen Zeitbezüge, die der anregenden Prosa einen dokumentarischen Charakter verleihen. (Übers.: Gesine Schröder)
Kirsten Sturm
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Das Leben ist groß
Jennifer duBois
Aufbau (2013)
448 S.
fest geb.