Überfahrt mit Dame
Diese Erzählung des bekannten amerikanischen Autors (1843-1916) erschien erstmals 1888 und berichtet von der Überfahrt eines langsamen Dampfschiffs von Boston nach Liverpool, auf dem einige Passagiere die Aufmerksamkeit des Ich-Erzählers erregen. Neben einer Gruppe von schwatz- und tratschsüchtigen alten Damen sind dies vor allem Miss Grace Navis, die zu ihrem Verlobten nach England reist, um ihn endlich zu heiraten, und die stets in ihrer Kabine sich verschließende Mutter Nettlepoint mit ihrem Sohn Jasper. Zwischen diesen beiden jüngeren Passagieren bahnt sich eine auffällige Freundschaft an, die zu einem tragischen Ende führt ... Der Reiz dieser dramatischen Episode liegt nicht in ihrem bald abzusehenden Ausgang, sondern in der raffiniert ausgetüftelten Erzählweise mit ihren Einblicken in die für uns so fernliegende Welt der viktorianisch verlogenen Moral (und ebenso auch in eine Reise, für die der Passagier heute nur eine Nacht benötigt). Zum Vergleich ist in dieser Ausgabe die etwas ältere Erzählung "Die Reise nach Panama" (d. h. von Southampton nach Colón) von Anthony Trollope angefügt. Und an beiden kann der Liebhaber tiefgehender Seelengeschichten seine Freude haben. (Übers.: Alexander Pechmann)
Georg Bergmeier
rezensiert für den Sankt Michaelsbund.
Überfahrt mit Dame
Henry James
Aufbau (2013)
175 S. : Ill., Kt.
fest geb.